Mehr Verkehrssicherheit, bessere Luft und weniger Lärm – Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Anlässlich der Globalen Verkehrssicherheitswoche vor zwei Wochen in Genf hat die Weltgesundheitsorganisation WHO die Einführung eines globalen Tempolimits von 30 km/h in geschlossenen Ortschaften gefordert. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus erklärte, dass die Welt sichere, gesunde, grüne und lebenswerte Städte bräuchte, dazu könnte ein niedriges Tempolimit beitragen. Das Ende der Corona-Pandemie sei eine Chance auf einen Neustart in vielen Bereichen. Insbesondere die Verkehrssicherheit verbessere sich durch ein niedrigeres Tempo in den Städten, davon würden nicht nur die Menschen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind, sondern auch die Autofahrerinnen und Autofahrer. Nach Zahlen der WHO sterben jährlich 1,3 Millionen Menschen weltweit im Straßenverkehr, in NRW sind 430 Menschenleben in 2020 zu beklagen.

Ein Tempolimit von 30 km/h in geschlossenen Ortschaften auch in NRW wäre nicht nur ein Meilenstein zur Erreichung des Ziels „Vision Zero“ (keine Verkehrstoten mehr) sondern hätte auch noch eine ganze Reihe von anderen positiven Effekten. Viele europäische Städte wie beispielsweise Barcelona und Brüssel haben in weiten Teilen ihres Stadtgebiets Tempo 30 bereits eingeführt, mit durchweg positiven Erfahren. Die Reduzierung der Regelgeschwindigkeit führt nicht nur zu deutlich weniger Unfällen und weniger Toten und Verletzten, sondern sorgt auch für bessere Luftqualität und weniger Verkehrslärm. Laut Messungen des ADACs treten auch kaum Reisezeitverluste gegenüber Tempo 50 auf, wenn entsprechend Kreisverkehre und intelligente Ampelsteuerungen vorhanden sind.

Leider weigert sich die von CDU/CSU und SPD getragene Bundesregierung hartnäckig, in der aktuellen Novelle der Straßenverkehrsordnung es den Kommunen in Deutschland zu ermöglichen, auf ihrem Stadtgebiet Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit einzuführen. Berlin ist bundesweit Vorreiterin bei der weitgehenden Einführung von Tempo 30, aber auch dort ist eine flächendeckende Tempoabsenkung rechtlich nicht möglich. Freiburg wollte im Rahmen eines Modellversuchs mit Unterstützung des baden-württembergischen Verkehrsministers Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet einführen, erhielt dafür aber von CSU-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer eine Absage. Auch Städte in NRW wie Aachen, Bonn oder Köln würden einen solchen Modellversuch gerne mitmachen, aber die Chancen dafür stehen leider angesichts der Hartleibigkeit des Bundes in dieser Frage schlecht.

Auch die schwarz-gelbe Landesregierung ist in diesem Punkt ablehnend. Das Verkehrsministerium unter CDU-Verkehrsminister Hendrik Wüst beschied laut der WDR-Sendung Westpol vom 30.5.21 eine Anfrage der Stadt Aachen auf einen Modellversuch mit flächendeckender Einführung von Tempo 30 im Stadtgebiet negativ. Und dies mit der Begründung, dass man den straßengebundenen ÖPNV, also Busse, nicht ausbremsen wolle.

Gerade in der Heimatstadt von Ministerpräsident Armin Laschet, die in der Vergangenheit vor allem durch hohe Überschreitungen der Luftschadstoff-Grenzwerte von sich reden machte, ist diese Argumentation in vielerlei Hinsicht völlig verquer und sachlich falsch. Denn wie viele Beispiele von Straßen mit Tempo 30 zeigen, führt die Absenkung der Regelgeschwindigkeit zu flüssigerem und weniger stauanfälligem Verkehr. Dies zeigen auch die Erfahrungen der letzten Jahre mit den Anordnungen von Tempo 30 an den Hotspots der hohen Luftschadstoffkonzentrationen. Nicht nur hat sich die Luftqualität verbessert, sondern die angeordneten Maßnahmen hatten auch keine negativen Auswirkungen auf den allgemeinen Verkehrsfluss.

I. Der Landtag stellt fest

  • durch eine Absenkung der Regelgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften könnte die Verkehrssicherheit deutlich erhöht und die Zahl der Toten und Verletzten im Straßenverkehr gesenkt werden,
  • viele Städte in Europa haben mit der flächendeckenden Einführung von Tempo 30 in ihrem Stadtgebiet positive Erfahrungen gemacht. Nicht nur führte dies zu weniger Unfällen, sondern auch zu besserer Luftqualität und weniger Verkehrslärm,
  • die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie haben noch einmal gezeigt, dass es gerade in hoch verdichteten Städten mehr Freiräume, mehr Grün, bessere Luft, weniger Lärm und mehr Entschleunigung geben muss, damit die Lebensqualität für alle steigt.

II. Der Landtag beschließt:

Die Landesregierung wird aufgefordert:

  • sich beim Bund dafür einzusetzen, Kommunen kurzfristig im Rahmen eines Modellversuchs flächendeckendes Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in ihrem Stadtgebiet zu ermöglichen,
  • eine Initiative im Bundesrat für eine Novelle der Straßenverkehrsordnung zu ergreifen mit dem Ziel, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit für geschlossene Ortschaften einzuführen,
  • darauf hinzuwirken, dass auf den Landesstraßen innerhalb geschlossener Ortschaften Tempo 30 angeordnet wird,
  • die Kommunen bei der Einführung von Tempo 30 zu unterstützen und die notwendigen begleitenden Maßnahmen wie Anpassung von Ampelschaltungen, Bau von Kreisverkehren, bauliche Umgestaltung von Fahrbahnen etc. mit Mitteln aus dem Landeshaushalt zu fördern.