Sieht die Landesregierung tatenlos zu, wie RWE die Leitentscheidung untergräbt?

Kleine Anfrage von Wibke Brems

Portrait Wibke Brems 5-23

In der Unterrichtung über den Beschluss der Regierung Laschet für eine neue Leitentscheidung zur Braunkohle am 25. März 2021 hob Minister Professor Dr. Pinkwart die angeblichen Verbesserungen für die von Umsiedlungen bedrohten Menschen in den Dörfern am Tagebau Garzweiler II hervor:

„Die Leitentscheidung gibt vor, dass Keyenberg und die anderen Dörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts nicht vor Ende des Jahres 2026 bergbaulich in Anspruch genommen werden. Damit stellen wir sicher, dass die turnusmäßige Überprüfung des Kohleausstiegs durch die Bundesregierung im Jahr 2026 noch in das weitere Vorgehen einfließen kann.“

Und weiter:

„Zudem erhalten die dort noch lebenden Bürgerinnen und Bürger deutlich mehr Zeit zur Abstimmung ihrer Umsiedlung mit ihrer ganz persönlichen Lebenssituation unter Beibehaltung der Garantie auf die vom Betreiber zugesagten Umsiedlungskonditionen, was sehr wichtig ist.“ (MMP17-122.pdf (nrw.de)

Am Tag der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Bundes-Klimaschutzgesetz zeigte sich Minister Professor Dr. Pinkwart sogar optimistisch, dass der Kohleausstieg deutlich früher möglich sein könnte und die Leitentscheidung auch für diesen Fall ausreichend flexibel sei (Kohleausstieg Pinkwart zufolge deutlich früher möglich (rp-online.de)) Tatsächlich ist in der neuen Leitentscheidung allerdings keine Vorsorge für einen früheren Kohleausstieg als 2035 getroffen worden. So heißt es in Entscheidungssatz 3: Planungshorizont mit Revisionszeitpunkten:

„Das Änderungsverfahren für den Braunkohlenplan Garzweiler II soll auf das Abschlussdatum 31. Dezember 2038 (§§ 2 und 4 i.V.m. § 40 KVBG) ausgerichtet sein. Dabei ist Vorsorge für ein ggf. vorgezogenes Abschlussdatum nach § 47 KVBG (31. Dezember 2035) zu treffen.“

RWE scheint einen deutlich früheren Ausstieg aus der Kohleverstromung für ausgeschlossen zu halten und auch die Option des Erhalts der Dörfer nicht für möglich zu erachten. Dies legt ein Schreiben nahe, dass am 19. Mai 2021 öffentlich wurde und in dem das Unternehmen Druck auf die Bewohnerinnen und Bewohner von Kuckum ausübt, schnellstmöglich ihre Häuser an RWE zu verkaufen. Die Überprüfung der Notwendigkeit der Umsiedlungen im Jahr 2026 und die damit bestehende Möglichkeit, dass eine Umsiedlung gar nicht mehr notwendig sein könnte, wird unterschlagen. Explizit wird sogar erklärt, die Umsiedlung würde auch bei einem früheren Kohleausstieg wie geplant durchgeführt werden.

Auf Nachfrage in der Plenarsitzung am 20. Mai 2021 sah Minister Professor Dr. Pinkwart keinen Widerspruch zwischen Leitentscheidung und dem Schreiben von RWE:

„Was RWE – soweit ich das in den Briefen, die über Twitter laufen, gelesen habe – geschrieben hat, deckt sich genau mit dem, was in der Leitentscheidung steht.“

Und weiter:

„Diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die das abwarten wollen, haben durch die Leitentscheidung diese Möglichkeit. Aber sie haben eben auch die Möglichkeit, ihren früheren Nachbarn nachzuziehen und die Umsiedlung vorzunehmen. Genau diese Option wollten die Bürgerinnen und Bürger auch haben. Die räumen wir mit der Leitentscheidung ein. Das Unternehmen setzt das genau so um, meine Damen und Herren.“ ( https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMP17-129.pdf)

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Bleibt die Landesregierung bei ihrer Position, dass das Verhalten des bergbautreibenden Unternehmens bzw. der Inhalt des Schreibens an die Bewohnerinnen und Bewohner von Kuckum in Einklang mit der Leitentscheidung vom 23.03.2021, insbesondere dem Aufschub bzw. dem unter Vorbehalt stellen der Umsiedlungen am Tagebau Garzweiler, steht?
  2. In welcher Weise hat eine Abstimmung zwischen RWE und der Landesregierung über den Inhalt des Schreibens an die Bewohnerinnen und Bewohner von Kuckum im Vorfeld stattgefunden?
  3. Welchen praktischen Wert für die Menschen in den Dörfern hat der in der Leitentscheidung formulierte Aufschub der Umsiedlungen bzw. die Überprüfung im Jahr 2026 tatsächlich, wenn das Unternehmen diese Vorgaben missachtet bzw. verschweigt?
  4. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung die Menschen in den Dörfern davor schützen, das RWE weiter unangemessenen Druck auf diejenigen ausübt, die nicht zu einem Verkauf an RWE bereit sind?
  5. Inwiefern hält die Landesregierung die Leitentscheidung vom 23.03.2021, insbesondere den Entscheidungssatz 3, für ausreichend flexibel für einen auf den Zeitraum vor dem Jahr 2035 vorgezogenen Kohleausstieg?