NRW Klimaschutzgesetz zur Basis für klimagerechten Wohlstand machen!

Entschließungsantrag zum Entwurf der Landesregierung „Gesetz zur Neufassung des Klimaschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen“

Portrait Wibke Brems 5-23

I. Bundesverfassungsgericht stellt klar: Klimaschutz sichert Freiheit

Das Bundesverfassungsgericht entschied Ende April, dass eine zu wenig ambitionierte und unkonkrete Klimaschutzpolitik gegen das Grundgesetz verstößt. Die Richter stellten klar, dass die Regierung keinen unbegrenzten Ermessensspielraum hat, wie sie das Klima-Ziel von Paris verfolgt. Vielmehr haben die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht darauf, dass die Regierung ihre Politik klar auf die Erreichung dieses Ziels ausrichtet. Denn für die Sicherung unserer Freiheiten und unseres Wohlstands ist die Errei­chung dieses Ziels existenziell. Zu wenig Klimaschutz heute führt zukünftig zu immer größeren Emissionsminderungsverpflichtungen in immer kürzerer Zeit. Diese wären dann nur noch mit gravierenden Freiheitseinschränkungen und Risiken für unseren Wohlstand zu erreichen. Im Zentrum der Klimaschutzpolitik müssen daher, neben ambitionierten, detaillierten Zielen und klaren Monitoringpflichten, vor allem konkrete Maßnahmen für Emissionsminderungen stehen. Ohne zusätzliche Maßnahmen sind angehobene Klimaziele wertlos.

Was für Deutschland insgesamt gilt, gilt umso mehr für NRW. Nur wenn unser Bundesland beim Umbau seiner Industriegesellschaft voran geht, kann NRW die vielfältigen Chancen auf langfristige Wettbewerbsfähigkeit nutzen. Wer heute hingegen versucht, seine Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen vor notwendigen Veränderungen abzuschirmen, verhindert nicht nur wirksamen Klimaschutz, sondern verspielt gleichzeitig die Grundlagen für zukünfti­gen Wohlstand. Denn Klimaschutz ist die Voraussetzung für Erfolg auf den Märkten der Zu­kunft. Damit NRW hier bestehen kann, muss unser Land mit ambitionierter Klimaschutzpolitik möglichst schnell genau zu einem solchen Markt der Zukunft modernisiert werden. Dafür

braucht es eine klare Ausrichtung auf Klimaneutralität in allen Bereichen statt klimapolitischer Lippenbekenntnisse.

II. Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb ist unzureichend

Nur wenige Wochen, nachdem Ministerpräsident Armin Laschet die Entscheidung aus Karls­ruhe mit Lob und Freude kommentiert hat, stellt er mit dem vorliegenden Entwurf ein Klima-schutzgesetz zur Abstimmung, das kaum mehr enthält als Zielwerte für 2030 und 2050. Damit fällt der Gesetzentwurf dieser Landesregierung in puncto Konkretisierung sogar noch hinter das Bundes-Klimaschutzgesetz zurück, das das Bundesverfassungsgericht aus nachvollzieh­baren Gründen als unzulänglich ansah. Die Ankündigung, die viel zu niedrigen Ziele des ak­tuellen Gesetzentwurfs an die Ziele eines novellierten Bundes-Klimaschutzgesetzes anzupas­sen, wird am grundsätzlichen Charakter des Gesetzes nichts ändern.

Dabei ist offenkundig, dass ein Landesklimaschutzgesetz viel konkreter sein muss als das Bundes-Klimaschutzgesetz. Denn auf Landesebene müssen die richtigen Weichen für Klima­schutz auf regionaler und kommunaler Ebene gestellt werden. Beim vorliegenden Gesetzent­wurf ist das Gegenteil der Fall: Durchgriffsrechte der Landesregierung auf die kommunale Ebene wurden gestrichen und mit dem Klimaschutzplan NRW ein aufwendig erarbeiteter Fahr­plan für mehr Klimaschutz und Klimaanpassung ersatzlos aufgegeben. Klimaschutz soll nach dem Willen der Regierung Laschet nur durch die Ermöglichung von Innovationen und Tech­nologieoffenheit erreicht werden. Mit dieser Marktgläubigkeit stielt sich Schwarz-Gelb aus der Verantwortung und vertraut darauf, dass die durch den Bund gesetzten Rahmenbedingungen ausreichend Klimaschutzerfolge auch in NRW bringen werden. Diese Haltung ist verantwor­tungslos gegenüber den Freiheiten zukünftiger Generationen und dem Wohlstand dieses Bun­deslandes. Denn auf diesem Wege wird sich die notwendige Dynamik im Klimaschutz nicht entfachen können. Hierzu braucht es neben marktbasierten Instrumenten, klare Anreize und teilweise auch ordnungsrechtliche Leitplanken, die bspw. die notwendige Bereitstellung von Flächen für die Windenergie ermöglichen.

III. Das Klimaschutzgesetz NRW zum zentralen Klima-Instrument machen

Die Herausforderung ist so klar wie groß: NRW muss so schnell wie möglich Klimaneutralität erreichen und damit gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt stärken und die Zukunft des In­dustriestandortes sichern. Um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, reicht es nicht aus, die aktuell diskutierten angepassten Ziele des Bundesklimaschutzgesetzes für NRW zu übernehmen. Notwendig ist eine starke Beschleunigung der Emissionseinsparungen in allen relevanten Sek­toren insbesondere in den vor uns liegenden Jahren. Es gibt noch immer leicht zu hebende Klimaschutzpotenziale, die genutzt werden müssen, um die notwendige Zeit für schwierigere Bereiche, wie den Umbau der Industrie, zur Verfügung zu haben.

Aufgrund des überproportionalen Emissionsniveaus von NRW ist für unser Bundesland ein steilerer Emissionsminderungspfad notwendig als für Deutschland insgesamt. Denn nur dann kann Deutschland innerhalb der nächsten 20 Jahre klimaneutral werden. Dies bedeutet, dass für NRW ein Klimaziel für 2030 von mehr als 70 Prozent und die Erreichung der Klimaneutra­lität im Jahr 2040 notwendig sind und festgeschrieben werden müssen. Wegen der hohen Bedeutung der Stromversorgung für die Erreichung der Klimaziele sollte zudem das Ziel eines Kohleausstiegs 2030 und einer auf 100 Prozent basierenden Stromversorgung bis 2035 ver­ankert werden. Dafür müssen die notwendigen Maßnahmen formuliert und ergriffen werden, wozu neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien auch der Aufbau von Elektrolyseuren für die Produktion grünen Wasserstoffs gehört.

Um Transparenz über die notwendigen Emissionsminderungen in den einzelnen Bereichen herzustellen, Planungssicherheit zu geben und ein effektives Monitoring sicherstellen zu kön­nen, reichen Gesamtziele für die einzelnen Jahre bis zur Klimaneutralität nicht aus. Jahres­scharfe Emissionsminderungspfade für alle relevanten Sektoren, wie sie das Bundes-Klima-schutzgesetz vorsieht, machen Verantwortlichkeiten innerhalb der Landesregierung klar und erleichtern das Nachsteuern bei absehbarer Zielverfehlung. Grundlage dafür ist ein regelmä­ßiges, verpflichtendes Monitoring und klare Prozesse, die ein zeitnahes Nachsteuern sicher­stellen.

Die Landesregierung sollte für die Ableitung konkreter Maßnahmen auf die Vorarbeiten des Klimaschutzplanes NRW zurückgreifen, diesen evaluieren und zeitnah als integriertes Ener­gie- und Klimaschutzkonzept mit sektorspezifischen Klimafahrplänen praxisorientiert weiter­entwickeln. Die aktuelle Klimapolitik der Landesregierung geht in eine gänzlich andere Rich­tung. So soll dieses aufwendig erarbeitete Werk aufgegeben werden, ohne dass das gesetz­lich vorgeschriebene Monitoring des Klimaschutzplanes stattgefunden hat. Die Vorgaben zum Klimaschutzaudit im Gesetzentwurf der Landesregierung sind weiterhin so nebulös, dass voll­kommen unklar ist, ob überhaupt ein Mehrwert von ihm ausgehen wird.

IV. Vorbildfunktion der öffentlichen Hand beim Klimaschutz ermöglichen

Neben klaren Fahrplänen, die die einzelnen Sektoren auf den Pfad Richtung Klimaneutralität bringen, muss die Verbindlichkeit des Klimaschutzgesetzes NRW auch durch weitere Maß­nahmen gestärkt werden. Der im Gesetz angesprochenen Vorbildfunktion der Landesverwal­tung muss endlich konkretes Handeln folgen. Dazu muss bis Ende dieses Jahres eine aktuelle, detaillierte Emissionsbilanz der Landesverwaltung vorgelegt werden. Gleichzeitig müssen, für alle in diesem Zusammenhang im Klimaschutzplan genannten Handlungsfelder, verbindliche Maßnahmenkataloge vorgelegt werden. Mit diesen muss sichergestellt werden können, dass die Landesverwaltung bis 2030, unter möglichst weitgehender Nutzung eigener Klimaschutzpotenziale, klimaneutral werden kann.

Das Gesetz muss die Bedeutung der Kommunen für die Umsetzung erfolgreichen Klimaschut­zes anerkennen und ihnen eine auskömmliche Finanzierung sicherstellen. Sei es für Pla­nungsleistungen und Konzepte, ausreichend Personal um über Genehmigungsanträge zu ent­scheiden oder für eigene Investitionen in die Energieeffizienz von Schulen und Rathäusern. Als zentrale Fördervoraussetzung bietet sich die Orientierung am kommunalen Klimaschutzkonzept an. Weil Kommunen genauso wie die Landesverwaltung eine Vorbildfunktion haben, sollten auch die Kommunalverwaltungen verbindliche Konzepte zur eigenen Klimaneutralität vorlegen. Öffentliche Liegenschaften müssen auch beim Ausbau der Photovoltaik konsequent voran gehen. Dort und auf Gewerbegebäuden muss die Solarenergienutzung zuvorderst zum Standard werden.

Zudem sollte das Klimaschutzgesetz NRW die Bedeutung kommunaler Wärmeplanungen her­vorheben und Unterstützung des Landes für die Kommunen bei dieser Aufgabe zusichern. Diese Planungen sind existenziell, damit bei einem Hochlauf der energetischen Sanierungen und neuer Heizungen keine Fehlinvestitionen geschehen. Nur mit einer Wärmeplanung kann bspw. verhindert werden, dass in Wärmepumpen investiert wird, obwohl in dem entsprechen­den Gebiet in wenigen Jahren ein Nahwärmenetz realisiert werden könnte.

Flächen sind aktuell der limitierende Faktor für den Ausbau der Klimaschutzinfrastrukturen. Das Klimaschutzgesetz sollte u.a. eine klare Festlegung enthalten, dass mindestens zwei Pro­zent der Landesfläche für die Windenergienutzung über Instrumente der Raumordnung zur Verfügung gestellt werden.

Mit Klimavorbehalt Reden und Handeln in Einklang bringen

Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Einführung fester Mindestabstände für neue Windenergieanlagen zur Wohnbebauung (Drucksache 17/13426) steht sinnbildlich dafür, wie diese Landesregierung von mehr Klimaschutz redet, aber gleichzeitig mit ihrem Handeln Kli­maschutz verhindert. Feste Mindestabstände für neue Windenergieanlagen zur Wohnbebau­ung schränken die verfügbaren Flächen für die Windenergie massiv ein und erschweren damit die dringend notwendige Beschleunigung des Ausbaus. So wird die Landesregierung abseh­bar auch in den kommenden Jahren ihre eigenen Ausbauziele verfehlen. Deutlich mehr er­neuerbarer Strom ist die Voraussetzung, um auch nur die aktuellen Klimaziele zu erreichen. Höhere Klimaziele oder der Traum einer Wasserstoffwirtschaft sind ohne eine echte Ausbau­offensive bei den Erneuerbaren absolut unglaubwürdig.

Ein im Klimaschutzgesetz verankerter Klimavorbehalt für neue Gesetze, Verordnungen und Förderprogramme der Landesregierung kann solche Rückschläge für den Klimaschutz helfen zu verhindern. Dazu könnte die bereits bestehende Pflicht in § 4 Absatz 4 Klimaschutzgesetz NRW, nach welcher neue Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften den Zielen des Klimaschutzgesetzes nicht entgegen stehen dürfen, in einen Klimavorbehalt weiterentwickelt werden. Hierfür wäre eine Berechnung der Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen zwingend vorzunehmen. Genauso wie eine Abschätzung, welche Bevölkerungsgruppen von den Änderungen voraussichtlich profitieren werden und welche Nachteile zu befürchten ha­ben. Diese Berechnungen würden im Gesetzesvorblatt transparent veröffentlicht und wenn nötig würden Ausgleichsmaßnahmen formuliert werden. Bei Förderprogrammen könnte ent­sprechend verfahren werden.

Nicht zuletzt sollte die Rolle des Klimaschutzbeirats wesentlich gestärkt werden. Zum einen müssten bei der Besetzung alle relevanten gesellschaftlichen Akteure berücksichtigt werden und gleichzeitig die Expertise der Wissenschaft einbezogen werden. Zum anderen muss die Beteiligung bspw. bei der Erstellung von Monitoringberichten inkl. des Rechts zur Formulie­rung eigener Vorschläge gesetzlich gesichert werden. Der Beirat sollte nicht nur auf die bloße Zielerreichung fokussieren, sondern insbesondere auch zu den zu erwartenden sozialen Aus­wirkungen von Klimaschutzmaßnahmen Stellung nehmen.

V. Keine künstliche Trennung von Klimaschutz und Klimaanpassung

Das Klimaschutzgesetz NRW ist der richtige Ort für alle landesgesetzlichen Vorgaben zur An­passung an den Klimawandel. Die von der Landesregierung beabsichtigte Trennung in zwei separate Gesetze bedeutet an sich noch keinen Fortschritt. Auch das Klimaanpassungsgesetz ist in der vorgeschlagenen Form viel zu unkonkret und wird so kaum Wirkung auf die Praxis entfalten. Eine landesweite Anpassungsstrategie ist sinnvoll und sollte bis zu einem verbindli­chen Zeitpunkt veröffentlicht werden. Vor allem müssen aber die Kommunen auch im Bereich Klimaanpassung deutlich stärker unterstützt werden, nicht nur bei der Erstellung kommunaler Klimaanpassungskonzepte, sondern insbesondere bei der kapitalintensiven Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen. Gleichzeitig müssen die Kommunen zusätzliche Möglichkeiten bekommen, um über das Planungsrecht wichtige Flächen für die Klimaanpassung und zur Stärkung natürlicher Senken effektiv schützen zu können.

VI. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. das Klimaschutzgesetz NRW nach den oben beschriebenen Prämissen grundlegend zu überarbeiten und dem Landtag zeitnah einen entsprechenden Gesetzesentwurf für ein integriertes Klimaschutz- und Klimaanpassungsgesetz vorzulegen. Dieses muss die Grundlage für ein klimaneutrales NRW bis 2040, einen Kohleausstieg bis 2030 und eine zu 100 Prozent erneuerbare Stromversorgung bis 2035 legen.
  2. das gesetzlich vorgeschriebene Monitoring des Klimaschutzplanes NRW durchzuführen, die Erfahrungen zu evaluieren und in ein integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept NRW weiterzuentwickeln.
  3. von Entscheidungen und Gesetzesinitiativen, die den Klimaschutz erschweren, wie dem Gesetzentwurf zur Einführung fester Mindestabstände von neuen Windenergieanlagen zur Wohnbebauung, Abstand zu nehmen.
  4. mit einem Klimaschutz-Audit für Landesrecht bestehende landesrechtliche Hemmnisse für mehr Klimaschutz zu identifizieren und konsequent abzubauen.