Lehren aus der Pandemie ziehen – für einen grundlegenden Paradigmenwechsel bei der Unterbringung, Versorgung und Teilhabe von Geflüchteten

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Berivan Aymaz 2021

Die Pandemie hat die Problemlagen, mit denen Geflüchtete bei ihrer Ankunft in NRW konfrontiert sind, nicht nur sichtbar gemacht, sondern noch weiter verschärft. Im Laufe der Coronakrise ist deutlich zutage getreten, dass die Strategie der Landesregierung, im Rahmen des Asylstufenplans teilweise über tausend Personen in einer Gemeinschaftsunterkunft über Jahre hinweg unterzubringen, untragbar ist. Denn das zentralisierte System versagt genau in den Bereichen, in denen während der Pandemie besondere Sorgfalt geboten ist:

  • dezentrale Unterbringung und ausreichende Gewalt- und Hygieneschutzkonzepte für besonders Schutzbedürftige und Risikogruppen
  • umfassende Kenntnisse über die gesundheitliche und psychische Kondition der Geflüchteten
  • vertrauensvolle Beratungs-, Betreuungs- und zuverlässige Versorgungsstrukturen auch nach der Pandemie mit engem Austausch zwischen Land, Kommunen und sozialen Trägern
  • frühzeitige Möglichkeit zur Teilhabe und Förderung hin zu einem unabhängigen Leben

Die Mängel des aktuellen Systems sind so gravierend zutage getreten, dass es einer grundlegenden Neuausrichtung der Unterbringungs- und Versorgungsstrukturen für Geflüchtete bedarf.

I. Dezentrale Unterbringungsangebote auf Landes- und Kommunalebene schaffen

In Zeiten einer Pandemie, in der ein hochansteckendes Virus grassiert, dessen Langzeitfolgen im Falle einer Infektion bis heute nicht abschließend geklärt sind, in beengten Gemeinschaftszimmern leben und sich mit Mitbewohnern sanitäre Anlagen teilen zu müssen, ist ein erheblicher Stress- und Risikofaktor für die Bewohnerinnen und Bewohner in Gemeinschaftsunterkünften. Die Gefahr, sich in einer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete mit dem Coronavirus zu infizieren, ist aufgrund der beengten Verhältnisse und grundsätzlich weniger Rückzugsmöglichkeiten besonders hoch1. Neben der Angst, an einer Infektion ernsthaft zu erkranken, führen die mangelnde Privatsphäre, die lange Verweildauer in den Unterkünften und die unsichere Perspektive auf Flüchtlingsschutz bereits in pandemiefreien Zeiten zu Konflikten unter den Bewohnerinnen und Bewohnern. Unter diesen Bedingungen leiden insbesondere schutzbedürftige Personen wie Kinder und Schwangere, Personen mit einem hohen Infektionsrisiko etwa durch chronische Krankheiten, sowie Familien. Mit der zeitweisen rechtlich völlig unzulässigen Aussetzung der Zuweisung von Geflüchteten in die Kommunen verschärfte die Landesregierung diese Problematik erneut. Die ergriffenen Maßnahmen liefen somit wissenschaftlichen Empfehlungen, z.B. des European Centre for Disease Prevention and Control vom Juni 2020, entgegen, die eine Entzerrung und sogar Evakuierung von Unterkünften empfahlen, sofern physische Distanzierung und die gängigen Hygienemaßnahmen, die der Allgemeinbevölkerung empfohlen wurden, in Unterkünften für Geflüchtete nicht eingehalten werden können2.

Die während der Pandemie immer wieder auftretenden Voll- und Teilquarantänen von Gemeinschaftsunterkünften führen zur weiteren Isolation, zu empfindlichen rechtlichen Einschränkungen der Betroffenen und erzeugen Ohnmacht und ein Gefühl des Ausgeliefertseins, was die Gefahr von Retraumatisierungen der Fluchterfahrung birgt.

Darüber hinaus kann die Vollquarantäne in beengten Unterkünften epidemiologisch kontraproduktiv sein und das Infektionsrisiko sogar erhöhen3. Auch vor dem Hintergrund der rapide sinkenden Asylzugangszahlen gilt es jetzt und nach der Pandemie solide Standards für die Unterbringungseinrichtungen zu entwickeln, sodass Geflüchtete möglichst in kleinen Wohneinheiten, in denen ausreichend Privatsphäre für Familien und besonders Schutzbedürftige vorhanden ist, Barrierefreiheit gegeben ist und das Landesgewaltschutzkonzept konsequent umgesetzt wird, leben können. Aussagen, wie sie im letzten Quartalsbericht der Landesregierung zum staatlichen Asylsystem zu lesen waren, dass aufgrund von Corona die Vorgaben des Landesgewaltschutzkonzeptes zur Schaffung abgegrenzter Wohnbereiche „nicht immer vollständig umsetzbar“ seien, sind nicht hinnehmbar (Vorl. 17/5262).

Die soziale Beratung durch die sozialen Träger in den Einrichtungen für Geflüchtete erfuhr während der Coronakrise ebenfalls einen schweren Rückschlag: Wegen einer einseitigen Neuausrichtung der Sozialen Beratung für Geflüchtete durch die Landesregierung inmitten der Pandemie mussten viele Beratungsstellen ihre Leistungen aus Finanzierungsgründen aufgeben. Gerade in der überörtlichen Flüchtlingshilfe, als auch bei den PSZ und bei allen Beratungsangeboten in den Landesunterkünften, fehlen den Trägern Möglichkeiten der Kofinanzierung. Das Angebot ist damit sowohl in den Landeseinrichtungen als auch in den Kommunen gerade im Bereich des dezentralen Beschwerdemanagements und der psychosozialen Beratung längst nicht mehr flächendeckend. In der Sitzung des Integrationsausschusses am 6. Juni 2021 musste das Ministerium zugestehen, dass immer noch mehrere Beratungsstellen unbesetzt geblieben sind. Des weiteren berichten Träger, dass sie erwägen, ihr derzeitiges Beratungsangebot in 2022 aufgrund der neuen unzureichenden Fördersätze aufzugeben. Dafür trägt die Landesregierung allein die Verantwortung.

Die jüngste Entscheidung der Landesregierung, die sie wiederum ohne Abstimmung mit den sozialen und unabhängigen Trägern getroffen hat, betrifft das Beschwerdemanagement für  Geflüchtete. Nachdem die Koordinierungsstelle Beschwerdemanagement viele Jahre lang zuverlässig vom Flüchtlingsrat NRW ausgefüllt worden war, entschied sich das Ministerium dazu, die unabhängige Koordinierungsstelle „übergangsweise“ (de facto länger als ein Jahr) im eigenen Ministerium anzusiedeln. Damit ging die gebotene Unabhängigkeit der Stelle faktisch verloren. Vor wenigen Tagen wurde die Stelle nun ehrenamtlich besetzt, während das die Koordinierungsstelle unterstützende Referat offenbar weiterhin am Ministerium angedockt zu sein scheint. Weder ist es ratsam, eine so wichtige Stelle lediglich ehrenamtlich auszufüllen, noch die Unabhängigkeit der Stelle aufzuweichen, die doch mit der Aufgabe betraut ist, sensible Beschwerden bis hin zu Behördenhandeln kritisch zu prüfen.

II. Gesundheitsmonitoring bei Geflüchteten grundlegend novellieren und digitalisieren

Bisher konnte die Landesregierung nicht erläutern, ob es ein standardisiertes Erhebungsformat gesundheitlicher Daten von Geflüchteten gibt und wie dieses ausgestaltet ist (vgl. Drs. 17/11298). Gerade am Anfang der Pandemie war es jedoch wichtig, Angehörige von Risikogruppen, die durch einen schweren Krankheitsverlauf bei einer Corona-Erkrankung besonders gefährdet sind, möglichst schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen schnell und flächendeckend zu identifizieren. Zudem spielt auch bei der Wahl des Impfstoffs die gesundheitliche Verfassung der Menschen eine große Rolle, da so eventuelle Unverträglichkeiten früh erkannt werden können. Aber auch unabhängig von Corona gilt es, andere chronische, physische und psychische Leiden der Betroffenen schnellstmöglich in einem standardisierten und fortlaufenden System zu identifizieren und zu behandeln.

In mehreren Bundesländern wurde mit „RefCare©“ ein entsprechendes System entwickelt und in verschiedenen Einrichtungen etabliert (BY: 20 Einrichtungen, Planung: Ausweitung mittelfristig auf 28, HH: 5 Einrichtungen, durch Schließungen aktuell in einer Einrichtung, Ba-Wü 6 Einrichtungen, Planung: Ausweitung mittelfristig auf 13). Dieses System wurde seit 2016 im Rahmen eines Modellprojekts des Bundesgesundheitsministeriums „Sentinel Surveillance der Gesundheit und medizinischen Versorgung von Asylsuchenden in Aufnahmeeinrichtungen in Deutschland“ zum Aufbau einer elektronischen Patientenakte (Dokumentationssoftware RefCare©) entwickelt. Das Modellprojekt bzw. die Bundesförderung lief zwar Ende 2020 aus, das System wurde jedoch durch eine nicht-kommerzielle Lizenzierung in den genannten Bundesländern verstetigt. In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage „Welche Standards zur Prävention und zum Schutze der Bewohnerinnen und Bewohner mit besonderem Schutzbedarf setzt die Landesregierung in Landesunterkünften für Geflüchtete um?“ (Drs. 17/11298) erklärte die Landesregierung jedoch, dass sie die Einrichtung von RefCare© zwar für NRW geprüft, aber dann nicht mehr weiterverfolgt habe (ebd.).

Damit hat die Landesregierung eine gute Chance verpasst, Teil eines Bundesland-übergreifenden Konzepts zur Digitalisierung von Gesundheitsdaten in Aufnahmeeinrichtungen zu sein. Mit einem solchen System wäre ein digitaler Austausch der Patientenakten der Geflüchteten nämlich nicht nur zwischen den Sanitätsstationen der Einrichtungen des Landes möglich, sondern auch mit nachgeordneten Gesundheitsversorgern wie behandelnden Ärzten und Ärztinnen in den kommunalen Einrichtungen. So könnten Therapieabbrüche auch bei Verlassen von Landeseinrichtungen verhindert werden und die Datenlage zur Gesundheitsversorgung von Geflüchteten insgesamt deutlich verbessert werden. Zu dieser Schlussfolgerung kommt auch ein Schwerpunktheft des Robert Koch-Instituts zum Thema der Verbesserung der Datenlage bei Geflüchteten4.

Mit der Einrichtung des sogenannten Beratungsstabs, bestehend aus externen Expertinnen und Experten aus dem Gesundheits- und Integrationsbereich, den Bezirksregierungen, der Landschaftsverbände und des Landeszentrums für Gesundheit in Zusammenarbeit mit dem MKFFI und dem MAGS ein sogenanntes „Rahmenkonzept zur Vermeidung des Ausbruchs und der Ausbreitung von COVID-19 in den Landeseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen“ (Vorl. 17/4133) hat die Landesregierung zumindest eine längst notwendige Verschränkung zwischen Gesundheits- und Integrationsministerium geschaffen. Dieses Gremium sollte mit seiner Expertise, insbesondere um neue Impulse für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Geflüchteten verstetigt werden.

III. Teilhabe- und Integrationsstrukturen ausbauen, Ehrenamt stärken

In der Coronazeit sind die Unterstützungsstrukturen und Partizipationsmöglichkeiten in den Landesunterkünften, aber auch in den Kommunen vor Ort lange Zeit ausgesetzt worden. Wie auch im Rest der Gesellschaft sind es insbesondere geflüchtete Kinder, aber auch geflüchtete Frauen, die darunter besonders gelitten haben. Auch für neuzugewanderte Erwachsenen und Jugendlichen bedeutete die Pandemie ebenso einen „Coronaknick“, gerade im Bereich des Erwerbs der deutschen Sprache, beim Bildungserwerb, in der gesellschaftlichen und sozialen Partizipation oder auch bei der Ausbildungs- oder Jobsuche.

Auch vom Jobverlust waren Migrantinnen und Migranten überdurchschnittlich stark betroffen, da sie insbesondere in von Corona stark eingeschränkten Branchen, etwa der Gastronomie, aber auch in systemrelevanten Branchen in kleinen Betrieben und in atypischen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten und Helfertätigkeiten ausüben. Dass sich der große Jobverlust bei Migrantinnen und Migranten selbst in systemrelevanten Branchen niederschlägt, ist besorgniserregend und vermutlich auf eine geringe Betriebszugehörigkeit und auf instabile Arbeitsverhältnisse zurückzuführen. Die oftmals geringfügige Beschäftigung führt zudem zum Ausschluss des Rechtsanspruches auf Kurzarbeitergeld5. Nicht zuletzt fiel mit der Schließung von Kindertagesstätten die Kinderbetreuung oftmals wieder auf die Frauen zurück (ebd.). Insgesamt lag die durch Corona resultierende Arbeitslosigkeit bei weiblichen Geflüchteten im Vergleich zu männlichen Geflüchteten doppelt so hoch, im Vergleich zu Frauen ohne Fluchtgeschichte stieg sie um den Faktor 14, wozu auch nicht weitergeführte oder ausgelaufene berufsaktivierende Maßnahmen und Sprachkurse zählen (ebd.).

Ein Großteil der Angebote, für deren Durchführung in den Landesunterbringungseinrichtungen die zuständigen Betreuungsverbände beauftragt worden sind, kamen während der Pandemie zum Erliegen. Auch ehrenamtliche Angebote in den Unterkünften für Geflüchtete und in den Kommunen mussten aufgrund der Infektionsgefahr über Monate geschlossen werden. Die fehlende Möglichkeit zur Tagesstrukturierung und zum sozialen Austausch haben negative Auswirkungen auf das psychische und physische Wohlbefinden. Mit der Entspannung der Infektionslage und dem hoffentlich schnell voranschreitenden Impffortschritt der Bevölkerung müssen Bund, Land und Kommunen das Augenmerk deswegen besonders auf die Förderung von Geflüchteten und Neuzugewanderten richten. Das bedeutet nicht nur, die bisherigen Angebote wieder hochzufahren, sondern darüber hinaus zu intensivieren, um verstärkt dort anzusetzen, wo Geflüchtete durch Corona besonders betroffen sind. Daher braucht es vor allen Dingen ein verstärktes Sprach- und Integrationskursangebot mit Kinderbetreuung, mehr Beratungsmöglichkeiten für Migrantinnen und Migranten vor Ort und die grundsätzliche finanzielle Stärkung des ehrenamtlichen Engagements, in Jugendzentren und in Sportvereinen. Gleichzeitig gilt es, die Anforderungen und Erwartungen an Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten an die durch Corona erschwerte Ausgangslage anzupassen und entsprechend zu kommunizieren. Dies gilt beispielsweise beim Deutschlernen, sowie bei der Integration in Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.

IV. Beschulung geflüchteter Kinder und Jugendlicher sicherstellen

Die zentralen Unterbringungseinrichtungen des Landes sind und waren keine kindgerechten Orte. Neben mangelnder Privatsphäre und ausreichenden Spielmöglichkeiten fehlen geflüchteten Kindern Kontakte zu Gleichaltrigen ohne Fluchtgeschichte, Ruhe- und Lernorte sowie der Zugang zum regulären Schulsystem. Die Lage hat sich auch hier in der Coronakrise erheblich verschlechtert.

Der Verweis auf die allgemeine Schulpflicht und die Forderung, Kinder im schulpflichtigen Alter, die in den Landesunterkünften untergebracht sind, in Regelschulen zu beschulen, wies die Landesregierung bereits 2018 damit zurück, dass Kinder von Asylbewerberinnen und – bewerbern erst schulpflichtig seien, sobald sie einer Gemeinde zugewiesen sind (vgl. 17/3383). Stattdessen versprach Flüchtlings- und Kinderminister Dr. Stamp die Etablierung eines Parallelsystems, in Form eines „schulnahen Angebotes“ in den Landesunterkünften für Geflüchteten, welches dann ab Anfang 2020 sukzessive auf sämtliche ZUE ausgerollt werden sollte (vgl. Vorl. 17/2824). Nach anderthalb Jahren erklärte die Landesregierung in ihrer Beantwortung der Kleinen Anfrage „Verweildauer, Betreuung und Beschulung – Vergisst Kinderminister Dr. Stamp die geflüchteten Kinder in Landesunterkünften?“ (Drs. 17/13587), dass seitdem in den insgesamt 30 ZUE lediglich 240 Kinder für ein solches schulnahes Angebot in Betracht kämen und entsprechendes Bildungsangebot erst in 14 ZUE eingerichtet sei. Mit Stand vom 31.03.2021 lebten 525 minderjährige Geflüchtete, die zwischen 6 und unter 18 Jahren und damit im schulpflichtigen Alter sind, in den Landesunterkünften (Vorl. 17/5262). Damit erhält weniger als die Hälfte aller geflüchteten Kinder überhaupt einen entsprechenden Zugang zur schulnahen Bildung. Laut Landesregierung haben von diesen aktuell überhaupt nur 240 Kinder Zugang zum sogenannten schulnahen Angebot der Landesregierung (vgl. 17/13963).

Auch ergeben sich bezüglich der verfügbaren Lehrmaterialien sowie der zur Verfügung stehenden digitalen Endgeräte deutliche Lücken: Nur in insgesamt sieben Unterkünften gibt es aktuell überhaupt iPads. Von einem flächendeckenden und „qualitativ hochwertigen“ Bildungsangebot kann daher keine Rede sein (ebd.).

Die Begründung der Landesregierung, dass eine Beschulung in regulären Schulen mit anderen Kindern ggf. zu neuen Traumatisierungen führen könnte und daher ein Bildungsangebot in den Unterbringungseinrichtungen selbst besser wäre, ist einfach nur zynisch (ebd.). Vielmehr scheint die Landesregierung dem Großteil der geflüchteten Kinder lieber gar kein Schulangebot zu machen, als sie in die regulären Schulklassen zu integrieren.

V. Der Landtag beschließt:

Die Landesregierung wird daher aufgefordert,

  1. die Zuweisung der Geflüchteten aus Landesunterbringungseinrichtungen in die Kommunen so schnell wie möglich umzusetzen;
  2. in Zusammenarbeit mit den Kommunen und Freien Trägern ein Konzept für die

Einrichtung dezentraler Unterbringungseinrichtungen auf Landes- und Kommunalebene zu schaffen. Hierzu gehören die Entwicklung baulicher, versorgungs- und betreuungsspezifischer Mindeststandards sowie die Entwicklung eines kommunalen Gewaltschutzkonzepts. Die Landesregierung unterstützt die Kommunen in der Umsetzung der Konzepte finanziell;

  1. die gesundheitliche Versorgung von Geflüchteten zu verbessern, indem
    a. in Zusammenarbeit mit der Stabsstelle ein Konzept für ein elektronisches Gesundheitsmonitoring erarbeitet wird, das der Identifikation von psychischen und physischen Krankheiten, Beschwerden, besonderen Schutzbedarfen und entsprechender Unterstützungsbedarfe dient. Das Konzept sollte bestehende Ansätze adäquat berücksichtigen und/oder den Aufbau und die Entwicklung einer geeigneten Infrastruktur beinhalten um das Gesundheitsmonitoring zu ermöglichen;
    b. die gesundheitlichen Daten von Geflüchteten in einem sicheren Verfahren datengeschützt elektronisch erhoben werden, gespeichert und involvierte Akteure (Verwaltung, Unterbringungseinrichtung, behandelnde ÄrztInnen) so vernetzt werden, dass im Falle einer Zuweisung oder eines Wechsels der Unterkunft der Geflüchteten die geschützte und datenschutzkonforme Weitergabe der elektronischen Patientenakten an die Versorgungsstrukturen vor Ort zur Mit- und Weiterbehandlung ermöglicht wird. Für einen reibungslosen Ablauf ist hierzu eine entsprechende Schulung und Begleitung des Personals insb. in den Gemeinschaftsunterkünften notwendig;
    c. die Bestimmungen des Landesgewaltschutzkonzepts auch in Coronazeiten uneingeschränkt umgesetzt werden und deren Umsetzung engmaschig überprüft wird;
  2. die Ausstattung mit Personalstellen im Förderprogramm Soziale Beratung von Geflüchteten unter Beachtung der Tarifstrukturen der Träger auskömmlich zu finanzieren;
  1. die Unabhängigkeit Koordinierungsstelle Beschwerdemanagement sicherzustellen und deren Arbeitsfähigkeit mit entsprechender Förderung auszustatten;
  1. die Förderung von Teilhabe- und Integrationsangeboten von Anfang an ermöglichen:
    Dazu gehört
    a. die flächendeckende Wiederaufnahme von Integrationskursen und Sprachangeboten sicherzustellen und die pandemiebedingten Ausfälle durch zusätzliche Angebote zu kompensieren;
    b. die Beratung von Geflüchteten auch in den ZUE über Zugänge zu Bildung, Ausbildung und Arbeit anzubieten und stärker mit der Kommunalen Integrationsarbeit zu vernetzen;
    c. die unverzügliche Öffnung der Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) für Ehrenamtliche, sofern es die Coronaschutzmaßnahmen erlauben;
    d. in enger Abstimmung mit den Kommunen die verstärkte Förderung und Vernetzung neuer Partizipationsangebote in Landes- und kommunalen Unterkünften für Geflüchtete, insbesondere im Bereich der sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe, sprachlichen und beruflichen Integration;

7. geflüchteten Kindern den Zugang zu Regelschulen zu ermöglichen und notwendige Lernräume und -mittel zu schaffen.

 

1 https://ekvv.uni-bielefeld.de/blog/pressemitteilungen/entry/corona_hohes_risiko_f%C3%BCr_gefl%C3%BCchtete .

2 ECDC (Jun, 15 2020): Guidance on infection prevention and control of COVID-19 in migrant and refugee reception and detention centres in the EU/EEA and the UK, https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/covid-19-guidance-prevention-control-migrant-refugee-centres

3 Hintermeier M, Jahn R, Biddle L, Gencer H, Hövener C, KajikhinaK, Mohsenpour A, Oertelt-PrigioneS, Razum O, Spallek J, Tallarek M, Bozorgmehr K.(2021): SARS-CoV-2 bei Migrant*innen und geflüchteten Menschen. Bremen, Kompetenznetz Public Health COVID‐19. https://www.public-health-covid19.de/images/2021/Ergebnisse/SARS_COV_2_bei_MigrantInnen_Policybrief_v10.pdf

4 Robert-Koch-Institut (RKI) (31.03.2021): Gesundheitsmonitoring bei geflüchteten Menschen in Aufnahme-einrichtungen: Dezentrale Analyse medizinischer Routinedaten im Verbund. https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ  /Focus/JoHM_01_2021_Gesundheit_Gefluechteter_PriCare.pdf? blob=publicationFile

5 Netzwerk IQ Fachstelle Einwanderung (02/2021): Working Paper. Auswirkungen der Maßnahmen der Corona-Pandemie auf die Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Frauen, abrufbar unter: https://www.netzwerk-iq.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Fachstelle_Einwanderung/Publikationen_2021/Minor_FE_WP-Corona-Arbeitsmarktintegration-gefl%C3%BCchtete-Frauen_2021.pdf