Wie wirksam ist das Gifttiergesetz NRW wirklich?

Kleine Anfrage von Norwich Rüße

Portrait Norwich Rüße

Zum Jahresbeginn trat in Nordrhein-Westfalen (NRW) das neue Gifttiergesetz (GiftTierG NRW1) in Kraft. Damit ist die Neuanschaffung giftiger Spinnen, Schlangen und Skorpione in NRW nunmehr untersagt und die bereits privat gehaltenen Gifttiere mussten bis Ende Juni 2021 bei dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) angezeigt werden (vgl. § 4 Absatz 1 Satz 1). Dabei mussten Art und Anzahl der gehaltenen Gifttiere sowie der Haltungsort angegeben werden. Erforderlich ist auch der Nachweis der Zuverlässigkeit der Halterin bzw. des Halter durch Vorlage eines Führungszeugnisses und, bis zum 31. Juli 2021, der Nachweis über eine Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1.000.000 Euro für Personen-, Sach- und Vermögensschäden, auch für den Fall des Entweichens giftiger Tiere (vgl. § 4 Absatz 2 und Absatz 3). Für Halterinnen bzw. Halter, welche die Haltung ihrer Gifttiere unter diesen Bedingungen nicht fortsetzen konnten oder wollten, bestand die Möglichkeit, die Tiere dem LANUV zu überlassen. Halterinnen und Haltern, die gegen das Haltungsverbot oder die Melde- und Nachweispflichten verstoßen, soll die Haltung untersagt werden (vgl. § 5 Absatz 1 Satz 1).

In einer Pressemitteilung vom 13. Juli 2021 teilte das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW (MULNV) mit, 213 Personen hätten die Haltung von insgesamt 4389 Gifttieren (747 Giftspinnen, 3331 Giftschlangen und 311 giftige Skorpione) angezeigt.2 78 Spinnen und 122 Skorpione aus der Haltung von 13 weiteren Personen seien bereits oder werden noch von einer vom LANUV beauftragten Auffangeinrichtung in Rheinland-Pfalz abgeholt und fachgerecht untergebracht.3 Der Vollzug des Gifttiergesetzes gestalte sich bislang weitgehend problemlos und behördliche Maßnahmen wie Haltungsuntersagungen seien bisher nicht notwendig gewesen.4 Die zuständige Ministerin wird mit den Worten zitiert: „Wir wissen jetzt, dass in Nordrhein-Westfalen über 4000 Gifttiere in Privatwohnungen gehalten werden.“5 Angaben zu einer möglichen Dunkelziffer nicht gemeldeter Gifttiere wurden nicht gemacht.

Um im Ernstfall effektiv handeln und die Bevölkerung wirksam schützen zu können, müssen die kommunalen Ordnungsbehörden vor Ort allerdings auch wissen, wo genau in ihrem Zuständigkeitsbereich giftige Tiere gehalten werden. Das LANUV informiert die für den jeweiligen Haltungsort örtlich zuständigen Kreisordnungsbehörden und die örtlichen Ordnungsbehörden über Haltungsanzeigen gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1, Mitteilungen über das Abhandenkommen von Tieren, Anzeigen über den Wechsel des Haltungsortes und über den Tod sowie jede Abgabe von Tieren (vgl. § 5 Absatz 3 Satz 1) und darüber, ob gegen eine Haltungsperson eine Untersagungsanordnung ergangen ist (vgl. § 5 Absatz 3 Satz 2). Diese Informationen und Mitteilungen können auch auf dem Wege eines automatisierten Abrufverfahrens auf der Grundlage einer gemäß § 6 Absatz 2 des Datenschutzgesetzes NRW erlassenen Rechtsverordnung bereitgestellt werden (vgl. § 5 Absatz 3 Satz 3). In der Antwort auf meine Kleine Anfrage 4218 gab das MULNV an, die Einrichtung eines solchen automatisierten Abrufverfahrens zu planen und die hierfür nötige Rechtsverordnung erlassen zu wollen.6 Im Rahmen der Erarbeitung der Verordnung werde geprüft, wie die bei den Kreisordnungsbehörden angesiedelten einheitlichen Leitstellen für den Brandschutz, die Hilfeleistung, den Katastrophenschutz und den Rettungsdienst in geeigneter Weise in das Abrufverfahren eingebunden werden können.7

Eine entsprechende Verordnung, die Gifttier-Datenübermittlungsverordnung NRW (GiftTier-DÜVO NRW) wurde inzwischen erlassen, sodass Einrichtung und Betrieb eines automatisierten Abrufverfahrens durch das LANUV möglich wäre. Die automatisiert übermittelten Daten sollen Informationen über angezeigte Haltungen und Informationen über Mitteilungen über das Abhandenkommen von Tieren umfassen (vgl. § 2 Absatz 2 und Absatz 3 GiftTier-DÜVO NRW). Die Berechtigung zum Abruf der Daten durch die Kreisordnungsbehörden und örtlichen Ordnungsbehörden über das automatisierte Abrufverfahren wird diesen für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich auf schriftlichen Antrag durch das Landesamt erteilt (vgl. § 3 Absatz 3 Satz 1 GiftTier-DÜVO NRW). Den Zugang erhalten berechtigte Nutzerinnen und Nutzern durch die Vergabe einer personenbezogenen Kennung und eines Passworts (vgl. § 3 Absatz 4 Satz 1 GiftTier-DÜVO NRW).

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie beabsichtigt die Landesregierung den Vollzug von § 5 Absatz 1 Satz 1 GiftTierG NRW sicherzustellen – auch vor dem Hintergrund einer möglichen hohen Dunkelziffer nicht bei dem LANUV gemeldeter Gifttiere?
  2. Wann wird das automatisierte Abrufverfahren für Berechtigte (vgl. § 3 Absatz 4 Satz 1 GiftTier-DÜVO NRW) zur Verfügung stehen? (Antwort bitte begründen)
  3. Wie viele schriftliche Anträge (vgl. § 3 Absatz 3 Satz 1 und Satz 2 GiftTier-DÜVO NRW) auf Berechtigung zum Abruf der Daten über das automatisierte Abrufverfahren liegen dem LANUV bisher vor? (Bitte Kreisordnungsbehörden und örtliche Ordnungsbehörden benennen und nach Regierungsbezirken aufschlüsseln)
  4. Warum umfassen die automatisiert übermittelten Daten (vgl. § 2 GiftTier-DÜVO NRW) nicht alle in § 5 Absatz 3 Satz 1 und Satz 2 GiftTierG NRW genannten Informationen (Haltungsanzeigen, Mitteilungen über das Abhandenkommen von Tieren, Anzeigen über den Wechsel des Haltungsortes, Anzeigen über den Tod von Tieren, Anzeigen über jede Abgabe von Tieren, Mitteilungen über Untersagungsanordnungen), obwohl das GiftTierG NRW bestimmt, dass alle Informationen nach § 5 Absatz 3 Satz 1 und Satz 2 den zuständigen Behörden im Wege eines automatisierten Abrufverfahrens bereitgestellt werden können (vgl. § 5 Absatz 3 Satz 3 GiftTierG NRW)?
  5. Warum erhalten die bei den Kreisordnungsbehörden angesiedelten einheitlichen Leitstellen u.a. für den Rettungsdienst entgegen der Ankündigung des MULNV in der Antwort auf meine Kleine Anfrage 4218, diese Akteure in geeigneter Weise in das Abrufverfahren einzubinden, keinen Zugriff auf das automatisierte Abrufverfahren?

 

1 Alle im Folgenden genannten Paragrafen ohne nähere Bezeichnung sind solche des Gifttiergesetzes NRW (GiftTierG NRW).

2 https://www.umwelt.nrw.de/presse/detail/gifttiergesetz-in-nordrhein-westfalen-halten-213-privatpersonen-4389-gifttiere-1626166358.

3 Ebd.

4 Ebd.

5 Ebd.

6 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-10836.pdf.

7 Ebd.