Nur mit einem Kohleausstieg bis 2030 sind die Klimaziele erreichbar

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Wibke Brems 5-23

I. Ausgangslage

Der aktuelle Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) zeigt deutlich, was passieren wird, wenn die Regierungen beim Klimaschutz nicht endlich ihren Ankündigungen Taten folgen las­sen. Starkregenereignisse, Hitzewellen und Dürren werden häufiger und intensiver auftreten. Das 1,5 Grad Ziel des Klimaabkommens von Paris könnte schon 2030 gerissen werden. Dadurch drohen Kipppunkte erreicht zu werden, die das Klimasystem für Jahrhunderte massiv verändern würden. Die Zeit für ambitionierten Klimaschutz ist also eindeutig jetzt, nicht in eini­gen Jahren. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bundesklima-schutzgesetz Ende April haben die Bundesregierung aus Union und SPD und die Landesre­gierung unter Armin Laschet zwar ihre Klimaziele angehoben. Von der angekündigten und dringend notwendigen klimapolitischen Kurskorrektur, die wirklich mit Maßnahmen hinterlegt wäre, ist allerdings bis heute auf Bundes- und Landesebene nichts zu sehen. Beispielhaft sei genannt, dass Bundes- und Landesregierung den schnelleren Ausbau der Windenergie weiter blockieren und an überholten Kohleausstiegsplanungen festhalten. So sind höhere Ziele für den Klimaschutz wertlos und nichts als bloße Ankündigung.

Wie groß der Handlungsdruck für effektiven Klimaschutz ist, hat das Starkregenereignis und die anschließende Hochwasserkatastrophe im Juli auf erbarmungslose Weise gezeigt. Neu­este Studien belegen, dass die Klimakrise diese Katastrophe mitverursacht hat (https://www.tagesschau.de/inland/studie-starkregen-101.html). 49 Menschen haben allein in NRW ihr Leben verloren, insgesamt waren es fast 200. Ihren Familien und Freunden gilt unser Mitgefühl. Bund und Länder sahen sich angesichts der unvorstellbaren Zerstörung gezwungen, einen Aufbaufonds in Höhe von 30 Milliarden Euro aufzulegen. Alle, die in diesem Land Verantwortung tragen, stehen in der Pflicht dafür zu arbeiten, dass eine Wiederholung solcher Katastrophen nicht noch wahrscheinlicher wird. Ein „Weiter so“ beim Klimaschutz können wir uns nicht leisten.

Die gute Nachricht ist jedoch: Noch können wir das Schlimmste verhindern, wie auch der IPCC-Bericht klarstellt. Eine schnelle Klimawende ist auch in NRW möglich. Dies hat eine um­fassende Machbarkeitsstudie im Auftrag der GRÜNEN Landtagsfraktion eindrücklich gezeigt. Schon 2040 könnte NRW klimaneutral sein, wenn die notwendigen Schritte beherzt angegan­gen werden. Dazu gehört zwangsläufig auch ein Kohleausstieg bis 2030. Mit keiner anderen Maßnahme kann so schnell so günstig so viel CO2 eingespart werden.

Die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD ist sich mit der Regierung Laschet hingegen einig, dass es bei dem geplanten Kohleausstieg erst Ende des Jahres 2038 auch nach der Bundestagswahl bleiben soll. Dies haben sowohl Ministerpräsident Laschet als auch Vize­kanzler Olaf Scholz klargemacht. Dabei ist eine Erreichung der Klimaziele, sowohl derjenigen des Bundes genauso wie der von NRW, ohne einen Kohleausstieg bis 2030 technisch nicht möglich, eine Einhaltung der Verpflichtung aus dem Pariser Klimaabkommen sowieso. Wer höhere Klimaziele beschließt, aber an einer Politik festhält, die die Erreichung unmöglich macht, handelt unverantwortlich und macht sich unglaubwürdig. Die Landesregierung sollte zeigen, dass es ihr ernst ist mit der Erreichung ihrer eigenen Klimaziele und auf allen Ebenen für einen schnelleren Kohleausstieg sorgen.

Das Urteil des Oberveraltungsgerichtes (OVG) Münster vom 26. August, mit dem der Bebau­ungsplan für das Kohlekraftwerk Datteln IV für unwirksam erklärt wurde, muss ein Weckruf für diese Landesregierung sein und Anlass für eine Kurskorrektur. Ministerpräsident Laschet hat sich stets für die Inbetriebnahme des Kraftwerks eingesetzt, trotz mehrerer anhängiger Klagen und der eindeutigen Empfehlung der Kohlekommission, keine neuen Kohlekraftwerke mehr in Betrieb zu nehmen. Damit hat er nicht nur die Zusage gebrochen, sich für eine Eins-zu-Eins-Umsetzung der Empfehlungen der Kohlekommission einzusetzen, sondern einen Schwarzbau unterstützt, wie das OVG-Urteil zeigt. Die Landesregierung darf den Kohleausstieg nicht weiter den Gerichten überlassen. Sie muss weitere Versuche, Fehler in den planungs- und geneh­migungsrechtlichen Grundlagen für das Kraftwerk zu heilen, aufgeben. Stattdessen muss sie, sobald das Urteil gegen den Bebauungsplan rechtskräftig ist, eine kurzfristige Stilllegung von Datteln IV vorbereiten.

Gleichzeitig muss sie kurzfristig die im März beschlossene Leitentscheidung korrigieren. Diese muss die Grundlage für einen Kohleausstieg bis 2030 legen und weitere Umsiedlungen für die Braunkohle ausschließen. Die verbleibenden Abbaumengen müssen sich, unter Berücksichti­gung der Versorgungssicherheit, zuvorderst an klimapolitischen Notwendigkeiten orientieren. Der Wunsch nach Gewinnmaximierung des Bergbautreibenden war lange genug Richtschnur dieser Landesregierung. Eine neue Leitentscheidung muss Klima-, Umweltschutz und die In­teressen der Menschen der Region in den Mittelpunkt stellen. Auch gegenüber den Beschäf­tigten in der Braunkohle gebietet es die Fairness und der Respekt, realistische Planungen vorzulegen, statt Menschen in trügerischer Sicherheit zu wiegen. Natürlich müssen die Zusa­gen zur Sozialverträglichkeit bei einem vorgezogenen Kohleausstieg genauso gelten. Gleich­zeitig muss der notwendige Strukturwandel im Rheinischen Revier erheblich beschleunigt wer­den.

Auf Bundesebene muss sich Ministerpräsident Laschet für eine Änderung des Kohleausstiegs-gesetzes einsetzen, die einen Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 ermöglicht. Das Bundeskli-maschutzgesetz definiert eindeutig, wie viel CO2 im Sektor Energiewirtschaft im Jahr 2030 noch ausgestoßen werden darf. Eine Zielerreichung ohne eine vollständige Einstellung der Kohleverstromung bis dahin ist rechnerisch nicht möglich. Das Gesetz erklärt zudem den Braunkohletagebau Garzweiler II für energiewirtschaftlich notwendig. Dabei ist klar, dass nur noch ein Bruchteil der Kohlevorräte verbrannt werden darf, wenn die Klimaziele eingehalten werden sollen. Dennoch sollen nach dem Willen des Ministerpräsidenten Laschet und der Bundesregierung jetzt noch Menschen ihr Zuhause verlieren und umgesiedelt werden. Auch wenn diese Feststellung nach Meinung von Juristen nichtig ist. Armin Laschet muss diesen historischen Fehler korrigieren und dafür sorgen, dass der § 48 aus dem Kohleausstiegsgesetz gestrichen wird. Um einen marktgetriebenen Kohleausstieg zu unterstützen, muss die Landes­regierung sich auf Bundesebene für die Einführung eines EU-weiten, notfalls nationalen CO2-Mindestpreises einsetzen. Dieser sollte transparent über die Jahre ansteigen, um schnellst­möglich Investitionen in Erneuerbare Energien zu erleichtern.

Wir GRÜNE haben stets betont, dass der Kohleausstieg nur gelingen kann, wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien endlich ambitioniert vorangetrieben wird. Die Landesregierung muss dafür die landespolitischen Voraussetzungen schaffen und für weitere Verbesserungen auf Bundesebene eintreten. Feste Mindestabstände auf Landesebene für neue Windenergie­anlagen konterkarieren die notwendige Beschleunigung des Zubaus und müssen umgehend zurückgenommen werden. Vielmehr bedarf es einer echten Ausbauoffensive für die Windener­gie genauso wie für die Photovoltaik. Dafür sind Verbesserungen sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene möglich und notwendig. Zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele brau­chen wir 100 Prozent erneuerbare Energien im Stromsektor so schnell wie möglich. In den letzten Jahren ist viel zu wenig passiert.

  1. Beschlussfassung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. sobald das Urteil gegen den Bebauungsplan für das Kohlekraftwerk Datteln IV rechtskräf­tig ist, eine kurzfristige Stilllegung des Kraftwerks vorzubereiten.
  2. die im März beschlossene Leitentscheidung grundlegend zu überarbeiten, um u.a. die Voraussetzungen für die Beendigung des Braunkohleabbaus im Rheinischen Revier bis spätestens 2030 zu schaffen und die bergbauliche Inanspruchnahme weiterer Ortschaften auszuschließen.
  3. feste Mindestabstände für neue Windenergieanlagen durch eine Streichung des § 2 des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuches in Nordrhein-Westfalen zurück zu neh­men.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für folgende Punkte ein­zusetzen:

  1. Einen Kohleausstieg bis 2030.
  2. Die ersatzlose Streichung des § 48 des Kohleausstiegsgesetzes zur energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II.
  3. Einen wirksamen Mindestpreis im Europäischen Emissionshandel und parallel bis dahin einen nationalen Mindestpreis im Emissionshandel, damit der Kohleausstieg marktgetrie­ben beschleunigt wird.
  4. Einen Abbau der Hemmnisse für einen beschleunigten Ausbau für Erneuerbare Energien.