Endlich Frieden für die Dörfer statt sinnloser Eskalation in Lützerath

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Wibke Brems 5-23

I. Ausgangslage

Im September 2018 ließ die Landesregierung mit dem größten Polizeieinsatz in der Geschichte Nordrhein-Westfalens den Hambacher Wald räumen. Sie wollte damit Fakten schaffen und RWE die Rodung ermöglichen, obwohl parallel die Kohlekommission über den Kohleausstieg beriet und Gerichtsverfahren anhängig waren. Wovor schon damals gewarnt wurde, ist eingetreten: Der Einsatz war vollkommen sinnlos und vor allem war er gefährlich – ein Mensch ist dabei ums Leben gekommen. Wie am 8. September 2021 das Verwaltungsgericht Köln geurteilt hat, war der Einsatz auch nicht rechtens. Der Brandschutz als Begründung einschreiten zu können war nur vorgeschoben und die Weisung des Bauministeriums deshalb rechtswidrig. Die Landesregierung verweigert bislang ein Schuldeingeständnis und die Übernahme politischer Verantwortung. Auch hat die Landesregierung bis heute nicht erklärt, in Zukunft in vergleichbaren Situationen auf rechtswidrige Weisungen zu verzichten.

Dabei könnte eine vergleichbare Situation schon sehr bald erneut eintreten: Die Ortschaft Lützerath am Tagebau Garzweiler gehört zum zweiten Umsiedlungsabschnitt und soll nach den Plänen von RWE Ende 2022 von den Kohlebaggern vernichtet werden. Doch ein Landwirt klagt gegen seine Enteignung, Braunkohlegegnerinnen und Braunkohlegegner haben im Dorf Baumhäuser errichtet. Aufgrund der Zeitplanungen ist davon auszugehen, dass RWE die am 1. Oktober beginnende Rodungssaison nutzen möchte, um Bäume zu fällen und Gebäude abzureißen. Dafür wäre aber eine Räumung des Dorfes notwendig. Die Landesregierung darf die Fehler aus dem Herbst 2018 nicht wiederholen. Ein Polizeieinsatz zur Räumung des Dorfes Lützerath wäre unverhältnismäßig, weil er erneut sinnlos und möglicherweise auch gefährlich für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten genauso wie für die Aktivistinnen und Aktivisten wäre. Die Landesregierung darf einen politischen Konflikt nicht erneut auf dem Rücken der Polizei austragen. Denn so lange die Gerichte nicht endgültig entschieden haben, wäre eine vollständige Zerstörung des Dorfes ohnehin nicht möglich.

Es ist die bekannte Strategie von RWE Fakten zu schaffen, bevor Gerichte endgültig entschieden haben oder politische Entscheidungen getroffen wurden. Die Landesregierung von CDU und FDP hat in der Vergangenheit diesen Kurs bereitwillig unterstützt. Diese Politik muss spätestens mit dem jüngsten Urteil endlich ein Ende haben. Die Landesregierung muss dafür sorgen, dass keine weiteren Fakten geschaffen werden, solange über Klagen nicht endgültig entschieden wurde.

Statt weiterer, sinnloser Eskalationen durch RWE und die Landesregierung verdienen die Menschen und die Region endlich Ruhe und Frieden. Ziel des Kohlekompromisses war genau dies: Die Befriedung des gesellschaftlichen Konfliktes um die Kohle. Diesen Kompromiss haben die Landes- und Bundesregierung bei der Umsetzung mit einseitigen Abweichungen zulasten des Klimaschutzes wie der Inbetriebnahme von Datteln IV, der fehlenden stetigen Reduktion der Braunkohlekraftwerke oder dem ausgebliebenen Dialog über die Umsiedlungen aufgekündigt. So lange noch Menschen für die Braunkohle ihre Heimat verlieren sollen und wertvolle Ökosysteme gefährdet sind, wird der Konflikt nicht gelöst werden können. Die Landesregierung aber scheut eine schnelle Entscheidung für einen Erhalt der Dörfer und möchte den Menschen fünf weitere Jahre des Hoffens und Bangens um ihre Heimat zumuten. Dabei zeigen mittlerweile sogar Daten der Bundesregierung, dass mit den verschärften Klimazielen für die Kohle spätestens 2030 Schluss sein muss. Das Festhalten an weiteren Umsiedlungen ist vor diesem Hintergrund vollkommen absurd. Die Landesregierung muss eine kurzfristige Entscheidung für den Erhalt der Dörfer treffen und darf nicht weiter auf Zeit spielen. Zudem muss der Hambacher Wald umgehend in öffentlichen Besitz überführt werden und die versprochene Vernetzung mit den umliegenden Waldökosystemen angegangen werden. Um eine langfristigen Entwicklung als Ökosystem sicherzustellen, ist der Wald mit einem angemessenen Schutzstatus zu versehen.

Es ist an der Zeit, der Region die Ruhe zu geben, die sie verdient.II. Beschlussfassung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. zu verhindern, dass in Lützerath weiter Fakten geschaffen werden, bevor über anhängige Klagen rechtskräftig geurteilt wurde, indem sie von RWE eine Stillhaltezusage bis zu mindestens diesem Zeitpunkt erwirkt.
  2. kurzfristig eine öffentliche Erklärung abzugeben, dass eine rechtswidrige Weisung zur Räumung wie 2018 im Hambacher Wald von dieser Landesregierung nicht erneut erlassen werden wird.
  3. beschlossene Klimaziele ernst zu nehmen und mit einer kurzfristigen Entscheidung für den Erhalt der bedrohten Dörfer am Tagebau Garzweiler endlich gesellschaftlichen Frieden zu ermöglichen.
  4. die Leitentscheidung so zu ändern, dass durch ein Vorziehen der Beendigung des Braunkohlenabbaus bis 2030, neben den fünf Dörfern Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich auch das Dorf Lützerath sicher erhalten bleibt.
  5. für eine schnellstmögliche Überführung des Hambacher Waldes in öffentlichen Besitz, z.B. die NRW-Stiftung, zu sorgen, Verbindungen mit umliegenden Ökosystemen sicherzustellen und dem Wald einen erhöhten Schutzstatus zuweisen.