Duldet die Landesregierung ein intransparentes Genehmigungsverfahren für den Kalkabbau in einem Natura 2000-Gebiet im Teutoburger Wald?

Kleine Anfrage von Norwich Rüße

Portrait Norwich Rüße

Schon seit Jahrzehnten gerät der Naturschutz im Teutoburger Wald bei Lengerich und Lienen durch den Abbau von Kalkstein zunehmend unter Druck. Als im Jahre 1999 der Kalkabbau im damaligen Gebietsentwicklungsplan – Teilabschnitt Münsterland – neu dargestellt wurde, waren einige Flächen mit Natura-2000-Qualität nicht gemeldet worden, mit der Folge, dass der darauf ehemals bodenständige und schutzwürdige Waldmeister-Buchenwald mittlerweile in großen Teilen und unwiederbringlich zerstört wurde. Den mit Nachdruck vorgetragenen Forderungen der Kalkindustrie nach weiteren Vorratsflächen wurde zwar durch die Regionalplanung noch nicht entsprochen, jedoch wurde in den Teilplan Kalk von 2018 ein „Schlupfloch“ aufgenommen. Dies geschah mit der Aufnahme des Ziels, dass weitere Abgrabungsvorhaben unterhalb von 10 ha ausnahmsweise auch außerhalb der Bereiche zur Sicherung und zum Abbau oberflächennaher Rohstoffe zulässig sind, wenn es sich um die Erweiterung einer bestehenden Abgrabung handelt. Allerdings – so die Zielformulierung – dürfen konkurrierende Ziele der Raumordnung dem Vorhaben nicht entgegenstehen. (Regionalplan Münsterland, Sachlicher Teilplan Kalkstein, Stand: 24.10.2018, S. 5). Schon im Folgejahr berief sich das Unternehmen Calcis in Lienen auf diese „Ausnahme“ – welche gelegentlich auch als „Lex Calcis“ bezeichnet wird – und beantragte die Erweiterung ihres Steinbruchs um 9,9 Hektar. (s.: Amtsblatt der Bezirksregierung Münster, S. 353, Bekanntmachung vom 07.11.2019 – https://www.bezreg-muenster.de/zentralablage/dokumente/service/amtsblaetter/amtsblaetter_2019/amtsblatt_46_2019.pdf).

Nachdem der Erörterungstermin im BImSchG-Verfahren stattgefunden hatte und inzwischen die übliche und gesetzlich vorgesehene Verfahrensdauer deutlich überschritten wurde, ist nicht absehbar, wann die Entscheidung der Genehmigungsbehörde fallen wird. Dabei steht auch die Frage im Raum, ob das beantragende Unternehmen noch genehmigte Abbauvorräte haben kann. Bereits während des Erörterungstermins im August 2020 wurde die Frage aufgeworfen, ob vor dem Hintergrund der Abbauprognose „bis 2017″ im Rahmen der Genehmigung aus dem Jahre 1998 noch rechtmäßig Kalkstein abgegraben werden könne. Das Unternehmen Calcis weigerte sich jedoch, die entsprechenden Daten offenzulegen und berief sich dabei auf „ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“. (s. Wortprotokoll des Erörterungstermins gemäß § 10 Absatz 3 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) am 25. und 26.08.2020 in der Gempt-Halle in Lengerich, S. 42).

Es gibt mehrfache Hinweise darauf, dass der Genehmigung des Antrags konkurrierende Ziele der Raumordnung tatsächlich entgegenstehen könnten. Es gibt allerdings keine aktuellen Informationen für die Öffentlichkeit und die Verfahrensbeteiligten, welche Transparenz darüber schaffen könnten, warum die Behörde nicht entscheidet und wieviel Zeit dafür ggf. noch benötigt wird. Naheliegend wäre es anzunehmen, dass in Folge der Erheblichkeit des beantragten Eingriffs die Integrität des Natura 2000-Gebietes gefährdet ist und Arten von gemeinschaftlichem Interesse betroffen sein könnten und das in einem Ausmaß, so dass eine Kompensation nicht zu leisten ist.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Welche Gründe haben dazu geführt, dass über das laufende Genehmigungs-verfahren noch nicht entschieden wurde? (Bitte im Einzelnen benennen und begründen).
  2. Wann soll über den Genehmigungsantrag entschieden werden? (In der Antwort bitte den genauen Zeitpunkt angeben).
  3. Wann werden die Verfahrensbeteiligten so in den weiteren Verfahrensverlauf einbezogen, dass sie ihre Rechte wahrnehmen können? (Bitte den Zeitpunkt und die Verfahrensschritte benennen).
  4. Welche Mengen an genehmigten Abbauvorräten sind im Steinbruch Lienen der Firma Calcis – entgegen der Abbauprognose („bis 2017″, s.o.) – noch vorhanden? Bitte dabei auch den Abbauzeitraum angeben.
  5. Wird dem Unternehmen Calcis Lienen GmbH & Co. KG zur dortigen Verarbeitung roher Kalkstein aus anderen Steinbrüchen zugeführt, um den Betrieb aufrechtzuerhalten? (Wenn ja, bitte die Mengen der letzten 5 Jahre und deren Herkunft angeben.)