Hochschulkooperationen mit der Volksrepublik China

Große Anfrage der GRÜNEN im Landtag

A. Vorbemerkung

Wissenschaft lebt vom internationalen Austausch, sie überwindet Grenzen zwischen den Staaten und in den Köpfen der Menschen. Die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in autoritär regierten Ländern ist dabei nicht immer einfach, denn gerade hier müssen Kooperationen auf einem klaren Wertefundament aufbauen. Insbesondere bei der Wissenschaft ist es wichtig, Kooperationen auch mit Partnerinnen und Partnern in „schwierigen Ländern“ aufrechtzuerhalten – wenn dabei Wissenschaftsfreiheit und Menschenrechte geachtet werden. Aktuell ist dies insbesondere in der Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China eine wichtige Frage. Die Debatten dazu haben in den letzten Jahren zugenommen und werden vielerorts hitzig diskutiert. Zum Teil fehlt es dabei aber an verlässlichen Informationen.

Der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angeforderte Bericht der Landesregierung zum Thema „Konfuzius-Institute in Nordrhein-Westfalen“ vom 5. Januar 2020 hatte unter anderem aufgezeigt, dass die Universität Düsseldorf im April 2020 einen Vertrag mit dem Konfuzius-Institut Düsseldorf auslaufen ließ, „da die Hochschulleitung nicht vollständig ausschließen konnte, dass die chinesische Staatsdoktrin Einfluss auf die Arbeit des Instituts nehme“ (https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-2873.pdf).

Solche Fragen des Einflusses stellen sich nicht nur hinsichtlich der Konfuzius-Institute, sondern auch in Bezug auf weitere Kooperationen von Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen mit Akteuren aus China. Wenn Verträge für Institute oder Forschungsprojekte beispielsweise vorsehen, dass chinesisches Recht und Regularien einzuhalten sind oder diffus davon die Rede ist, dass die chinesische Kultur respektiert werden muss, muss genauer hingesehen werden, welche Auswirkungen das in der Praxis hat.

Wenn es um die Ausbildung von Studierenden oder sensible Forschungsbereiche geht, ist Transparenz und Offenheit gefragt. Es kann nicht sein, dass staatlich verordnete Einflussnahme Chinas auf Hochschulen und Studierende erfolgt oder Forschungsergebnisse exklusiv chinesischen Stellen zugehen. Deutschland und China teilen nicht dasselbe Verständnis von Wissenschafts-, Hochschul- und Meinungsfreiheit. Gerade darum ist es wichtig, deutsch-chinesische Hochschulkooperationen auf der Grundlage genau dieser freiheitlichen und demokratischen Werte zu pflegen und auf deren Einhaltung zu bestehen.

Die Vorwürfe an chinesische Einflussnahme auf die Wissenschaft bedeuten gleichwohl nicht, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von nordrhein-westfälischen Hochschulen Propaganda betrieben, nur weil sie Kooperationen mit chinesischen Partnerinnen und Partnern führen.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema soll letztlich auch nicht dazu führen, dass Austausch und Zusammenarbeit in der Wissenschaft verunmöglicht werden. Vielmehr soll sie zu informiertem, wertebasiertem und – wo nötig – vorsichtigem Austausch und Annäherung mit Augenmaß zwischen den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen und China führen.

Die Hochschulrektorenkonferenz hat am 6. April 2020 „Leitlinien und Standards in der internationalen Hochschulkooperation“ (https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/leitlinien-und-standards-in-der-internationalen-hochschulkooperation/) und am 9. September 2020 „Leitfragen zur Hochschulkooperation mit der Volksrepublik China“ (https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/leitfragen-zur-hochschulkooperation-mit-der-volksrepublik-china/) beschlossen. In letzteren stellte sie zunächst fest, dass es viele und vielfältige Wissenschaftskooperationen zwischen Deutschland und China gibt. Die Zusammenarbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untereinander werde überwiegend positiv bewertet. Weiter heißt es aber auch, dass der chinesische Staat Kooperationen zunehmend erschwere, indem er auf die chinesische Wissenschaft einwirke, und er versuche die Wissenschaft in anderen Staaten zu beeinflussen. „Es kann nicht darum gehen, die Wissenschaftskooperation mit China im Grundsatz zu hinterfragen. Vielmehr ist ein differenzierter Blick auf die konkreten Rahmenbedingungen, Ziele und Inhalte einzelner Kooperationen erforderlich“, heißt es in dem Beschluss.

B. Fragenkatalog

  1. Wie bewertet die Landesregierung die Einschätzung, dass der chinesische Staat bzw. die Kommunistische Partei Chinas über Kooperationen mit Hochschulen in Nordrhein-Westfalen gezielt ein faktisch falsches Bild über chinesische Politik zu vermitteln versucht?
  2. Wie bewertet die Landesregierung den bisherigen Erfolg des chinesischen Staats bzw. der Kommunistischen Partei Chinas über Kooperationen mit Hochschulen in Nordrhein-Westfalen ein faktisch falsches Bild über chinesische Politik zu vermitteln?
  3. Was sind aus Sicht der Landesregierung Gelingensbedingungen für erfolgreiche Kooperationen von Hochschulen mit chinesischen Partnern?
  4. Werden in den Kooperationen von Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen mit chinesischen Partnern aus Sicht der Landesregierung die Aspekte, die die Hochschulrektorenkonferenz in ihren „Leitfragen zur Hochschulkooperation mit der Volksrepublik China“ und ihren „Leitlinien und Standards in der internationalen Hochschulkooperation“ formuliert hat, angemessen berücksichtigt?
  5. Inwiefern unterstützt die Landesregierung die Hochschulen dahingehend bei der Aufnahme von Kooperationen mit chinesischen Partnern?
  6. Inwiefern unterstützt die Landesregierung die Hochschulen dahingehend bei der Evaluation ihrer Kooperationen mit chinesischen Partnern?
  7. Inwiefern unterstützt die Landesregierung die Hochschulen dahingehend bei der Aufrechterhaltung oder Erneuerung von Kooperationen mit chinesischen Partnern?
  8. Welche Maßnahmen der Landesregierung tragen dazu bei, die China-Kompetenz in Forschung, Lehre und Verwaltung an den Hochschulen zu stärken?
  9. Welche Hochschulen in Nordrhein-Westfalen erhielten im Laufe der vergangenen 20 Jahre Zuwendungen von staatlicher oder privater Seite aus China, ob direkt in finanzieller Form oder indirekt, durch die Zurverfügungstellung von Lehrpersonal oder Sach- und Betriebsmittel?
  10. Insofern Hochschulen Zuwendungen gemäß der vorangegangenen Frage erhielten: In welcher Höhe, Form und zu welchem Zweck erfolgte dies? (Bitte aufschlüsseln nach: Hochschule, Projektname, Projektbeschreibung, Start- und Enddatum der Förderung, Fördersumme bzw. Gegenwert und Mittelgeber)
  11. Bestehen Verträge zwischen Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen und chinesischen Partnern, die eine gemeinsame Evaluation oder eine einseitige Evaluation durch die chinesische Seite vorsehen? (Bitte in Bezug auf die unter Frage 10 genannten Projekte aufschlüsseln)
  12. Insofern Vertragsregelungen gemäß Frage 11 bestehen: Welche Bestandteile umfassen diese Evaluationen jeweils? (z. B. Berichte, die an die chinesische Seite geliefert werden müssen)
  13. Insofern Vertragsregelungen gemäß Frage 11 bestehen: Welche Folgen drohen den deutschen Hochschulen jeweils, falls die Evaluation durch die chinesische Seite nicht positiv ausfällt?
  14. Bestehen Verträge zwischen Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen und chinesischen Partnern, in welchen die Hochschulen chinesisches Recht, einen chinesischen Gerichtsstandort oder ein chinesisches Schiedsgerichtsverfahren akzeptieren? (Bitte in Bezug auf die unter Frage 10 genannten Projekte aufschlüsseln)
  15. Insofern Vertragsregelungen gemäß Frage 14 bestehen: Welche Folgen drohen, falls ein Verstoß gegen chinesisches Recht festgestellt wird? (Bitte aufschlüsseln nach Folgen für Hochschulen, Studierende oder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler)
  16. Bestehen Verträge zwischen Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen und chinesischen Partnern, welche den chinesischen Partnern in Teilen oder komplett eine exklusive Nutzung der Forschungsergebnisse ermöglicht?
  17. Insofern Vertragsregelungen gemäß Frage 16 bestehen: Welche Ergebnisse stehen den chinesischen Partnern exklusiv zur Verfügung? (Bitte in Bezug auf die unter Frage 10 genannten Projekte aufschlüsseln)
  18. Wurden an Hochschulen je Titel oder Inhalte von Veranstaltungen, Forschungsprojekten oder Ähnlichem, die einen Chinabezug aufweisen bzw. durch chinesische Mittel finanziert wurden, abgeändert aufgrund von Bedenken, chinesische Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht gewinnen zu können oder zu irritieren? (Falls zutreffend, bitte in Bezug auf die unter Frage 10 genannten Projekte aufschlüsseln)
  19. Wurden an Hochschulen je Titel oder Inhalte von Veranstaltungen, Forschungsprojekten oder Ähnlichem, die einen Chinabezug aufweisen bzw. durch chinesische Mittel finanziert wurden, abgeändert aufgrund von Bedenken, chinesische Mittelgeber zu verärgern? (Falls zutreffend, bitte in Bezug auf die unter Frage 10 genannten Projekte aufschlüsseln)
  20. Wurden an Hochschulen je Titel oder Inhalte von Veranstaltungen, Forschungsprojekten oder Ähnlichem, die einen Chinabezug aufweisen bzw. durch chinesische Mittel finanziert wurden, abgeändert aufgrund von Bedenken, den chinesischen Staat zu verärgern? (Falls zutreffend, bitte in Bezug auf die unter Frage 10 genannten Projekte aufschlüsseln)
  21. Welche Fälle sind der Landesregierung bekannt, bei denen der chinesische Staat Einfluss auf die Veranstaltungen, Lehrinhalte und -materialen an Konfuzius-Instituten in Nordrhein-Westfalen genommen hat?
  22. Gab es im Nachgang zum Bericht der Landesregierung vom 5. Januar 2020 (Vorlage 17/2873) Gespräche zwischen Hochschulen und Landesregierung bezüglich der Konfuzius-Institute in Nordrhein-Westfalen?
  23. Insofern es Gespräche gemäß Frage 22 gab: Zu welchen Ergebnissen haben diese geführt?
  24. Wie haben sich die jeweiligen Kooperationen von Hochschulen und Konfuzius-Instituten in Nordrhein-Westfalen seit Anfang Januar 2020 verändert?
  25. Wurde der Landesregierung seit Januar 2020 Kritik an den von chinesischer Seite gestellten Bedingungen für Kooperationen von Hochschulen und Konfuzius-Instituten in Nordrhein-Westfalen bekannt?
  26. Führen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen aus China finanzierte Projekte durch, deren Forschungsergebnisse eine Dual-Use-Nutzung ermöglichen oder welche anderweitig für Menschenrechtsverletzungen oder militärisch in China genutzt werden könnten? (Bitte in Bezug auf die unter Frage 10 genannten Projekte aufschlüsseln)
  27. Wie stellen Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen sicher, dass es im Rahmen internationaler Kooperationen nicht zu ungewolltem Abfluss kritischer Technologien kommt?
  28. Wie unterstützt die Landesregierung die Hochschulen dabei, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, damit es im Rahmen internationaler Kooperationen nicht zu ungewolltem Abfluss kritischer Technologien kommt?
  29. Welche Schritte haben Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen unternommen, um Abhängigkeiten von chinesischen Mittelgebern/-innen zu reduzieren?
  30. Erhalten oder erhielten an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen lehrende oder forschende Personen für Nebentätigkeiten in China bzw. für chinesische Partner zusätzliche finanzielle oder anderweitige Zuwendungen? (z. B. Reisezuschüsse, außerplanmäßige Auszeichnungen)
  31. Insofern gemäß Frage 28 Zuwendungen gezahlt wurden: In welcher Höhe und Art erfolgten sie in welchem Zeitraum für welche Leistungen? (Ggf. anonymisieren)
  32. Kooperieren oder kooperierten Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen mit chinesischen Hochschulen, Hochschulinstituten oder bei diesen Einrichtungen beschäftigten Personen, die laut des China Defence Universities Trackers (https://unitracker.aspi.org.au) aufgrund ihrer Nähe zum chinesischen Militär in die Kategorien „medium risk“, „high risk“ oder „very high risk“ eingeordnet wurden?
  33. Insofern Kooperationen gemäß Frage 32 bestehen oder bestanden: Was war oder ist Gegenstand dieser Kooperationen? (Sofern zutreffend bitte angeben: Hochschule, Projektname, Projektbeschreibung, Projektzeitraum, zuständige Abteilung der deutschen Hochschule, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf chinesischer und deutscher Seite)
  34. Insofern Kooperationen gemäß Frage 32 bestehen oder bestanden: Können die Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen jeweils ausschließen, dass Forschungsergebnisse exklusiv dem chinesischen Militär zufließen?
  1. Insofern die Hochschulen gemäß Frage 34 ausschließen können, dass Forschungsergebnisse exklusiv dem chinesischen Militär zufließen: Wie wird dies jeweils gewährleistet?
  2. Insofern die Hochschulen gemäß Frage 34 nicht ausschließen können, dass Forschungsergebnisse exklusiv dem chinesischen Militär zufließen: Warum werden die Kooperationen dennoch aufrechterhalten?