Umweltministerin und Präsidentin eines Interessenverbandes – (k)ein Interessenkonflikt?

Kleine Anfrage von Norwich Rüße

Portrait Norwich Rüße

m 04. November 2021 wurde bekannt, dass die amtierende nordrhein-westfälische Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz neue Präsidentin der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) wird (https://www.sdw.de/presse/presseinformationen/pressemeldung/stabwechsel-bei-der-sdw/.). Der Verband setzt sich für die Waldpädagogik und den Waldschutz ein. Seine Arbeit fällt damit in das Ressort der Ministerin. Der Verband erhält Mittel aus dem Landeshaushalt. Dort waren in den Jahren 2020 und 2021 Zuschüsse in Höhe von insgesamt 139.000 Euro jährlich für den nordrhein-westfälischen Landesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und den Landesverband der Deutschen Waldjugend, die Jugendorganisation der SDW, angesetzt. (https://www.haushalt.fm.nrw.de/daten/hh2021.ges/daten/pdf/2021/gesamt_2021.pdf, Kapitel 10 030, S. 95.) Die SWD NRW hat in Nordrhein-Westfalen neben dem nordrhein-westfälischen Landesverband des Naturschutzbundes (NABU), des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt NRW (LNU) den Status einer landesweit tätigen anerkannten Naturschutzvereinigung. Sie „nimmt ihre Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler und regionaler Ebene organisatorisch als LNU-Mitgliedsverband wahr und nimmt in diesem Rahmen die Koordinierungsleistungen des Landesbüros [der Naturschutzverbände] in Anspruch. Die Beteiligung zu landesweit bedeutsamen Vorhaben und Planungen (z. B. Gesetzes-, Verordnungsvorhaben, untergesetzliche Vorgaben) erfolgt hingegen direkt über die Landesgeschäftsstelle der SDW.“ (https://www.umwelt.nrw.de/fileadmin/redaktion/PDFs/naturschutz/natur-und-umweltvereinigungen_nrw_liste.pdf.) Die SDW gibt insofern zu wichtigen Planverfahren Stellungnahmen ab, insbesondere im Bereich überörtliche Infrastruktur, aber auch Windenergieanlagen, Straßen et cetera.

Es stellt sich die Frage, ob bei solchen Verfahren Befangenheit im Sinne von § 21 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) anzunehmen ist. Auch die Tatsache, dass die SDW Landesmittel erhält, ist problematisch. Letztendlich hat die Ministerin in ihrem Ressort Einfluss auf die Mittelausstattung „ihres“ Verbandes. Diese Umstände begründen einen potentiellen Interessenkonflikt der Ministerin.

Die Ministerehrenkommission soll solche Interessenkonflikte eigentlich unterbinden. Das Gremium verwahrt, prüft und verwaltet die Angaben, welche die Mitglieder der Landesregierung gemäß § 35 Geschäftsordnung der Landesregierung Nordrhein-Westfalen (GOLR) zu ihren Vermögensverhältnissen und externen Tätigkeiten erklären (vgl. § 1 Anlage 3 der GOLR, Agenda der Unabhängigen Kommission für die Prüfung der Angaben der Mitglieder der Landesregierung zu Vermögensverhältnissen und externen Tätigkeiten [Ministerehrenkommission]). Zu diesen Angaben sind der Ministerpräsident bzw. die Ministerpräsidentin und die Mitglieder der Landesregierung für die Dauer ihrer Amtszeit verpflichtet (vgl. § 35 Absatz 1 Satz 1 GOLR). Die Angaben sind spätestens sechs Wochen nach Amtsantritt zu machen und sind jährlich zu aktualisieren (vgl. § 35 Absatz 1 Satz 2 GOLR). Wesentliche Änderungen, die im Laufe der Amtszeit eintreten, sind binnen 6 Wochen der Ministerehrenkommission mitzuteilen (vgl. § 35 Absatz 3 GOLR). Diese prüft die Angaben der Vermögensverhältnisse und externen Tätigkeiten der Mitglieder der Landesregierung auf ihre Richtigkeit und auf etwaige Interessenkonflikte mit dem Amt (vgl. § 4 Absatz 1 Satz 1 Anlage 3 der GOLR). Das betroffene Mitglied der Landesregierung wird über das Ergebnis der Prüfung unterrichtet (vgl. § 4 Absatz 3 Satz 1 Anlage 3 der GOLR). Dritten kann die Ministerehrenkommission das Ergebnis der Prüfung, die Empfehlungen und die zugrunde liegenden Angaben nur im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitglied der Landesregierung bekannt geben (vgl. § 5 Satz 1 Anlage 3 der GOLR).

Auch im VwVfG finden sich Regelungen, die Interessenkonflikte im Amt verhindern sollen. Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, muss die Person, die in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Behördenleiter informieren und sich auf Anordnung der Mitwirkung enthalten (vgl. § 21 Absatz 1 Satz 1 VwVfG). Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter bzw. die Leiterin der Behörde selbst, trifft die Aufsichtsbehörde die Anordnung, sich der Mitwirkung zu enthalten, sofern sich der Behördenleiter bzw. die Behördenleiterin nicht selbst einer Mitwirkung enthält (vgl. § 21 Absatz 1 Satz 2 VwVfG).

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. An welchem Tag wurde die Ministerehrenkommission von der amtierenden nordrhein-westfälischen Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz zwecks Prüfung eines etwaigen Interessenkonfliktes mit dem Amt darüber informiert, dass die Ministerin Präsidentin der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) wird?
  2. Zu welchem Ergebnis kam die Ministerehrenkommission bei der in Frage 1 genannten Prüfung eines etwaigen Interessenkonfliktes mit dem Amt? (Bitte auch das Datum des Abschlusses der Prüfung und ggf. getätigte Empfehlungen benennen)
  3. Falls sich die Landesregierung darauf beruft, dass die Ministerehrenkommission Dritten u.a. das Ergebnis der Prüfung nur im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitglied der Landesregierung bekannt geben kann (vgl. § 5 Satz 1 Anlage 3 der GOLR), wie begründet die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW, dass sie das Ergebnis der Prüfung der Ministerehrenkommission mittels dieser Kleinen Anfrage nicht für die nordrhein-westfälischen Bürgerinnen und Bürger transparent machen möchte?
  4. Inwieweit stellt die Übernahme der Präsidentschaft der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) durch die amtierende Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz aus Sicht der Landesregierung einen Interessenkonflikt dar?
  5. Inwieweit begründet die Übernahme der Präsidentschaft der SDW durch die amtierende Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz in NRW aus Sicht der Landesregierung einen Grund im Sinne von § 21 Absatz 1 Satz 1 VwVfG, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen?