Jetzt handeln für eine sichere, unabhängige und klimaneutrale Energieversorgung!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Wibke Brems 5-23

I. Ausgangslage

Der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine hat von einem auf den anderen Tag unvorstellbares Leid und apokalyptische Zerstörung in die Ukraine und damit nach Europa gebracht. Er hat auch deutlich gemacht, wie gefährlich die Abhängigkeit Deutschlands und unseres Bundes­lands von fossilen Energieimporten aus Unrechtsregimen wie Russland ist. Dieser Krieg hat damit schonungslos offengelegt, dass die Versäumnisse der vergangenen Jahre bei der Um­stellung unserer Energieversorgung auf Erneuerbare Energien fatal sind. So wurden Klima-schutzbemühungen verschleppt, die Abhängigkeit erhöht und die Versorgungssicherheit ge­fährdet.

Das Szenario eines kurzfristigen Wegfalls russischer Energieexporte in die EU und damit auch nach Deutschland und NRW ist inzwischen eine reale Option, auf die sich die EU, die Bundes­regierung und die Landesregierung vorbereiten müssen. Es muss davon ausgegangen wer­den, dass die Folgen eines Importstopps für Deutschland dramatisch wären. Die Energiepreise würden sich absehbar extrem erhöhen, mit entsprechenden gesellschaftlichen und wirtschaft­lichen Verwerfungen. Beim Erdgas müsste schließlich der Verbrauch entsprechend dem „Not-fallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland“ eingeschränkt werden. Dies könnte die Ab­schaltung von Industrieanlagen notwendig machen, mit unabsehbaren Folgen für nachgela­gerte Wertschöpfungsstufen und die gesamte Volkswirtschaft. Schon heute führen Spekulati­onen über ein solches Szenario zu immer höheren Energiepreisen.

Die Bundesregierung hat bereits vor Ausbruch des Kriegs umfassende Maßnahmen für sub­stanzielle Entlastungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern beschlossen. Bei anhaltend hohen Preisen müssen weitere Entlastungen von einkommensschwachen Haushalten und be­stimmten Unternehmen geprüft werden. Die gesamten Preissteigerungen wird jedoch weder die Bundes- noch die Landesregierung ausgleichen können, erst recht nicht, wenn die Preise infolge eines tatsächlichen Ausfalls der Liefermengen aus Russland weiter steigen sollten.

  1. Vorsorge verbessern – Importe diversifizieren

Ein vollständiges Ausbleiben der Importe von Steinkohle, Erdöl und Erdgas aus Russland hätte enorme Auswirkungen auf NRW, denn Deutschland importiert nicht nur mehr als die Hälfte des Erdgases aus Russland, auch die Hälfte der Steinkohle und ein Drittel der Erdöls stammen von dort. Kritisch ist insbesondere die Versorgungssicherheit für den nächsten Win­ter. Es ist daher richtig, dass die Bundesregierung prüft, neben einer nationalen Erdgasreserve auch eine nationale Kohlereserve aufzubauen. Die Landesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen für mehr Unabhängigkeit in der Erdgasversorgung umgesetzt werden und die Bundesregierung dabei unterstützen, die geplanten Maßnahmen zur Diversifizierung der Erdgasimporte kurzfristig realisieren zu können. Mit diesen Maßnahmen können kurzfristige Lieferstopps zumindest vorüber­gehend ausgeglichen werden und Preisspekulationen damit die Grundlage entzogen werden.

Eine Laufzeitverlängerung der noch laufenden Atomkraftwerke, wie sie u.a. von Minister Pink-wart gefordert wurde, ist hingegen nach eingehender Prüfung keine Option, um die Importab­hängigkeit von Russland kurz- und mittelfristig wirksam zu reduzieren. So kommen die Bun­desministerien für Umwelt und Wirtschaft in einem gemeinsamen Prüfvermerk vom 7. März 2022 zu folgendem Fazit: „Im Ergebnis einer Abwägung von Nutzen und Risiken ist eine Lauf­zeitverlängerung der drei noch bestehenden Atomkraftwerke auch angesichts der aktuellen Gaskrise nicht zu empfehlen.“ (https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/P-R/pruefvermerk-laufzeitverlaengerung-atomkraft-werke.pdf? blob=publicationFile&v=6) Dieses Ergebnis hängt neben sicherheitspolitischen Erwägun­gen auch an energiewirtschaftlichen Fakten.

Genauso wenig wie den Atomausstieg, darf der Krieg in der Ukraine dazu führen, dass das Ziel eines Kohleausstiegs bis 2030 vorschnell infrage gestellt wird. Kurzfristig mag eine stär­kere Inanspruchnahme von Kohlekraftwerken oder eine vergrößerte Reserve bzw. Sicher­heitsbereitschaft notwendig werden, um russische Erdgas-Importe zu verringern. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts muss aber nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf Landes­ebene alles dafür getan werden, dass der klimapolitisch notwendige Kohleausstieg ermöglicht werden kann.

  1. Mit Vollgas die Erneuerbare Energien ausbauen!

Angesichts der unsicheren Versorgungslage und weiter steigenden Preisen, kann es keine Rechtfertigung mehr für das Ausbremsen eines beschleunigten Ausbaus der Erneuerbaren Energien geben. Denn diese sind nicht nur die Lösung für die Klimakrise, sondern genauso für ein Lösen der Fesseln der fossilen Energieabhängigkeit und immer weiter steigender Ener­giepreise. Eine vollständige Energieversorgung auf Basis Erneuerbarer Energien ist mittelfris­tig technisch möglich und würde uns unabhängiger von Importen machen. Daher muss der Ausbau Erneuerbarer Energien und der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft mit noch mehr Hochdruck vorangetrieben werden. Gerade hier kann die Landesregierung mit einem konse­quenten Abbau von Ausbauhemmnissen aktiv zu einer Bewältigung der akuten Krise und einer Ermöglichung des Kohleausstiegs bis 2030 beitragen. Obwohl die Energieversorgungsstrate­gie der Landesregierung keine Antworten auf die aktuellen Herausforderungen gibt, ist jetzt nicht die Zeit, sie nach nur drei Monaten abermals zu überarbeiten. Jetzt ist die Zeit, alle Kraft in die schnellstmögliche Umsetzung von konkreten Maßnahmen zu investieren, die den Aus­bau der Erneuerbaren in der Praxis sofort und spürbar erleichtern. In den letzten Wochen die­ser Legislaturperiode muss diese Landesregierung zeigen, dass sie im Angesicht einer histo­rischen Zäsur tatsächlich zu einem fundamentalen Kurswechsel in ihrer Energiepolitik bereit ist, der über bloße Ankündigungen hinausgeht.

Die Maßnahmen, die den Windenergieausbau in NRW umgehend spürbar erleichtern und be­schleunigen würden, sind bekannt. Zentral ist hierfür eine bessere Flächenverfügbarkeit bspw. durch eine Rücknahme von pauschalen Mindestabständen und der kurzfristigen Ermöglichung von Wind auf Forstflächen. Doch hierfür hat die Landesregierung bis heute nicht einmal Ent­würfe vorlegen können. Auch bei der Photovoltaik kann die Landesregierung kurzfristig mehr Zubau ermöglichen. Mit der Einführung einer Solarpflicht, wie sie viele andere Bundesländer in den vergangenen Jahren eingeführt haben, könnte sichergestellt werden, dass in Zukunft jedes neue Gebäude mit einer Solaranlage ausgestattet wird und bei umfassenden Dachsa­nierungen nachgerüstet wird. Wichtig wäre aber auch, dass in NRW wieder Freiflächen-Pho-tovoltaikanlagen realisiert werden können. Dies könnte bspw. mit einem Solarenergie-Erlass erreicht werden, der Kommunen und Planern deutlich macht, auf welchen Flächen diese zu genehmigen sind. Bürgerenergieprojekte sind häufig breit akzeptiert und können damit schnel­ler realisiert werden. Daher ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um solchen Projekten mit einem Bürgerenergiefonds bei der NRW.Bank Risikokapital für die Projektentwicklung bereit zu stel­len. So könnte die Bevölkerung überall im Land aktiv ihren Beitrag für ein Gelingen dieser Jahrhundertherausforderung leisten.

  1. Verbrauch fossiler Energieträger sofort und nachhaltig senken

Gleichzeitig müssen umgehend die Anstrengungen maximal verstärkt werden, den Verbrauch fossiler Energieträger zu reduzieren. Denn jede Kilowattstunde fossiler Energieträger, die nicht verbraucht wird, reduziert die Herausforderung von Russland unabhängige Importe zu er­schließen. Spontane Änderungen im Energiekonsumverhalten können kurzfristig wirken. Dazu sollte die Landesregierung die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes mit einer massiven Ausweitung der Angebote zur Energieberatung unterstützen. Ziel muss es sein, dass alle Men­schen, die in dieser Situation Energiekosten reduzieren müssen oder ihren Beitrag zur Ener­gieeinsparung leisten möchten, die notwendige Orientierung erhalten. Wir wissen, dass es in praktisch jedem Haushalt Möglichkeiten gibt auch ganz ohne Investitionen und ohne Komfort­einbußen Energie einzusparen. Dafür ist eine Erhöhung der Unterstützung für die Verbrau­cherzentralen dringend geboten. So kann diese ihre Angebote ausweiten und im Idealfall kos­tenfrei zur Verfügung stellen, aber auch privatwirtschaftliche Energieberatungsdienstleistungen müssen von der Landesregierung stärker unterstützt werden. Ergänzend dazu sollte die Landesregierung eine breit angelegte Informationskampagne auflegen, die Tipps zum Ener­giesparen allen Bevölkerungsgruppen vermittelt.

Neben Verhaltensänderungen und geringinvestiven Maßnahmen braucht es nachhaltig wir­kende Energieeffizienzmaßnahmen und Umstellungen der Energieträger für die Wärmever­sorgung oder in Industrieprozessen. Solche Maßnahmen zur Energieeffizienz und Energieein­sparung müssen daher von der Landesregierung verstärkt unterstützt werden. Die Landesre­gierung muss ihre Förderprogramme sowohl für Haushalte, als auch für Gewerbe und Industrie deutlich erweitern. Hier bietet sich u.a. das bestehende Instrument progres.NRW Klimaschutz-technik an, das kurzfristig mit zusätzlichen Mitteln, verbesserten Förderbedingungen und er­gänzenden Fördergegenständen ausgestattet werden kann und muss. Ziel muss es sein, dass jede auf Erneuerbaren Energien basierende neue Wärmeversorgung, die eine fossile Hei­zungsanlage ersetzt, von der Landesregierung unterstützt werden kann. Gleichzeitig müssen aber auch die landesgesetzlichen Rahmenbedingungen unmissverständlich die Richtung vor­geben. So kann und muss die Landesbauordnung einen ansteigenden Mindestanteil erneuer­barer Energien an jeder neuen Heizung vorgeben. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Abhän­gigkeit von fossilen Energieimporten auch noch in neuen Gebäuden für die nächsten Jahr­zehnte festgeschrieben wird.

II. Beschlussfassung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf

  1. umgehend ein umfassendes Paket landespolitischer Maßnahmen für eine Offensive zum Ausbau Erneuerbarer Energien vorzulegen. Angebote der Verbraucherzentrale zum Thema Energie und private Energieberatungs-dienstleistungen stärker zu unterstützen sowie eine Informationskampagne zum Energie­sparen aufzulegen.
  2. Landesförderprogramme wie progres.NRW Klimaschutztechnik für Energieeffizienzmaß-nahmen und klimaneutrale Energieversorgung deutlich auszuweiten.
  3. die Bundesregierung dabei zu unterstützen, kurzfristig eine Diversifizierung beim Import fossiler Energieträger, allen voran von Erdgas, zu ermöglichen.
  4. die Bundesregierung dabei zu unterstützen, kurzfristig Maßnahmen zur Sicherstellung größtmöglicher Energiereserven umzusetzen.