Recht auf Wohnen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I. Ausgangslage

Wohnen ist ein vitales Grundbedürfnis der Menschen und gehört laut Umfragen zu den drängendsten Problemen unserer Gesellschaft. Aufgrund der rasant und vor allem in Ballungsge­bieten überproportional steigenden Mietpreise geben viele Mieterinnen und Mieter inzwischen mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Miete aus, für immer mehr Menschen wird Woh­nen damit zum Armutsrisiko. Die dramatischste Auswirkung, die diese hohe Mietbelastung haben kann, ist die Wohnungslosigkeit. Allein in NRW waren 2019 rund 47.000 Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen. Doch die Situation ist nicht überall im Land gleich, denn die Un­terschiede zwischen den regionalen Wohnungsmärkten in NRW sind groß. Während in den Schwarmstädten die Wohnungsnot zunimmt, sind einige ländlich geprägte Regionen von Leer­stand und Bevölkerungsrückgang betroffen.

In NRW sind knapp zehn Prozent des Wohnungsbestandes geförderter Wohnraum, der be­zahlbaren Wohnraum auch für finanzschwache Haushalte zur Verfügung stellen soll. Doch der soziale Wohnungsbau steht vor einem großen Problem. Trotz forcierter Bautätigkeit nimmt die Zahl der Sozialwohnungen seit Jahren ab. Das bedeutet, dass Wohnungen, die dank der För­derung zu niedrigerem Preis verfügbar waren (sog. Sozialbindung) nach Ende der Preisbin­dung nur noch zu marktüblichen Preisen zu haben sind und es keine Bevorzugung von Men­schen mit geringerem Einkommen bei der Vermietung mehr gibt. Der Anteil der Wohnungen, die aus der Sozialbindung herausfallen, ist seit Jahren größer als die Zahl der Wohnungen, die mit Sozialbindung mit den Mitteln aus der Wohnraumförderung des Landes neu gebaut oder gekauft werden. Während es 2010 noch knapp 544.000 preisgebundene Wohnungen in Nordrhein-Westfalen gab, hat sich ihr Bestand bis 2019 auf gut 456.000 Wohnungen reduziert. Eine Modellrechnung der NRW.Bank prognostiziert für das Jahr 2030 ohne weitere Bewilli­gungen eine Reduktion auf etwa 240.000 Wohnungen. Eine der Ursachen hierfür sind die ak­tuell niedrigen Zinsen, aufgrund derer viele Investoren ihre Förderdarlehen bereits frühzeitig tilgen und die Wohnungen somit vorzeitig aus der Preisbindung herausnehmen können. Zu­dem haben die Nachwirkungen der Finanzkrise beziehungsweise die Preisexplosionen für Im­mobilien durch die anhaltende Niedrigzinspolitik auch am frei finanzierten Wohnungsmarkt zu einem deutlichen Druck auf Wohnraum und Flächenverfügbarkeit geführt.

Lange wurde angenommen, dass der demographische Wandel zu einer Entlastung der Wohn­raumsituation führen würde. Dies ist jedoch nicht eingetroffen, stattdessen erleben vor allem die größeren Städte in Nordrhein-Westfalen ein weiteres Bevölkerungswachstum durch Zu­zug. Aktuelle Prognosen rechnen außerdem mit einem weiteren Wachstum der Bevölkerung in NRW von 17,947 Millionen Menschen im Jahr 2019 auf 18,141 Millionen Menschen 2032.

Die Zahlen lassen erwarten, dass die jetzt schon drängende Frage nach bezahlbarem Wohn­raum in den kommenden Jahren noch weiter an Brisanz gewinnen wird. Neue politische Im­pulse sind dringend erforderlich, um frühzeitig die Weichen für eine Entspannung am Woh­nungsmarkt zu stellen.

Die Auswirkungen der COVID 19 – Pandemie auf den Wohnungsmarkt können noch nicht ab­schließend dargestellt werden. Die Corona-Krise dürfte aber die sich ohnehin zuspitzende Ent­wicklung noch verschärft haben. Die Nachfrage wird voraussichtlich weiterhin hoch, der Wohn­raum weiterhin knapp bleiben. Klar ist, dass wieder mehr Menschen aus den Metropolen in kleine Großstädte oder den suburbanen Raum ziehen möchten, um die Nähe zu Naherho­lungsgebieten zu haben. Dies wird durch die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens seit der Corona-Pandemie verstärkt. Möglich ist, dass mehr Wohnfläche pro Kopf nachgefragt wird, weil mehr Menschen sich ein Arbeitszimmer für das Homeoffice wünschen.

Alle Menschen in NRW sollen in Wohnungen leben können, die ihren Bedürfnissen angemes­sen, bezahlbar und von guter baulicher Qualität sind. Die aktuelle Debatte um mangelnden Wohnraum in unseren Städten macht deutlich, dass die Frage der Verfügbarkeit von Boden (in Form von Flächen) nicht nur Einfluss auf die Entwicklung unserer Städte und Regionen hat, sondern auch maßgebliche Voraussetzung für Teilhabe und soziale Gerechtigkeit in unserer freiheitlichen Gesellschaft ist. Wo die Verfügbarkeit von Boden nicht im Sinne eines Grund­rechtes auf Wohnen für alle Menschen gewährleistet ist, leidet das Gemeinwohl. Da Boden eine endliche Ressource ist, muss er gerecht (auch in Bezug auf die kommenden Generatio­nen) verteilt werden. Wir brauchen eine Entscheidung, wieviel Raum für Landwirtschaft, Natur und Bebauung genutzt werden sollte. Maßnahmen wie aktives Flächenmanagement und faire Bodenbesteuerung müssen in Land und Kommune umgesetzt werden. Nachhaltige und ge­rechte Bodenpolitik sollte daher in der Landesverfassung als Ziel definiert werden, um es dann in der Raumordnung des Landes NRW mit dem Landesentwicklungsplan und mit der Regio­nalplanung , bei den Grundsteuern, der Grunderwerbssteuer, dem Grundstücksverkehrsgesetz und einer öffentlichen Bodensicherungs- und -vorsorgepolitik auszugestalten.

Das Land NRW steuert den Bedarf an Wohnbauflächen in den Kommunen auf Basis des Landesplanungsgesetzes (LPlG) sowie dem Landesentwicklungsplan (LEP). Der aktuell geltende LEP enthält eine ausführliche Darstellung zum demografischen Wandel und kommt zu dem Ergebnis, dass die Wohnflächennachfrage – wenn auch regional unterschiedlich – weiter wach­sen wird. Das Thema „Wohnen“ ist im aktuell geltenden LEP im Kern auf die quantitative Wohnflächennachfrage beschränkt. Die sozialpolitische Dimension mit dem Thema „bezahl­bares Wohnen“ findet im LEP dagegen bislang keine Erwähnung. Dabei enthält das Bundes-Raumordnungsgesetz (ROG) in den Grundsätzen zur Steuerung der Siedlungsentwicklung ausdrücklich auch die Formulierung, dass den „sozialen Herausforderungen … Rechnung zu tragen“ ist. Auf Basis des ROG kann der LEP NRW nicht nur quantitative Festlegungen für eine „bedarfsgerechte Siedlungsentwicklung“ treffen sondern darüber hinaus auch qualitative Festlegungen insbesondere für eine ausreichende Versorgung mit „bezahlbaren Wohnraum“ im Sinne der Wohnraumförderungsgesetze des Bundes und des Landes NRW treffen. Mit ei­nem Grundsatz der Raumordnung kann der LEP die Festlegung treffen, dass mindestens ein Drittel der Siedlungsflächenbedarfe für die Schaffung von bezahlbaren Wohnraum vorzusehen sind. Neben dieser landesweiten Regelung können durch den LEP die Regionalplanungsbehörden beauftragt werden weitergehende Regelungen in den Regionalplänen zu treffen, um die regional unterschiedlichen Bedarfe nach bezahlbaren Wohnraum im Land NRW durch die Regionalplanung zu steuern.

Auch wenn viele Kommunen in den zurückliegenden Dekaden zur Deckung der defizitären kommunalen Haushalte einen Großteil kommunaler Wohnungs- und Grundstücksbestände veräußert und kommunale Wohnungsbaugesellschaften privatisiert haben, sind sie heute praktisch der letzte öffentliche Akteur auf dem Wohn- und Immobilienmarkt. Doch gerade die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sind den unterschiedlichen Herausforderun­gen weder finanziell noch personell gewachsen. Es fehlt insbesondere in den kleineren kreis­freien Städten und dem kreisangehörigen Raum an den nötigen finanziellen Mitteln für eine aktive Flächenvorrats- oder Wohnungsbaupolitik. Nicht nur, dass viele Kommunen heute über keine eigenen Bodenreserven mehr verfügen, es fehlt auch am Geld, um neue Grundstücke anzukaufen und Wohnraum zu errichten. Selbst in Kommunen, die noch über eigene Flächen oder mehr oder weniger gesunde öffentliche Wohnungsbaugesellschaften verfügen, fehlt es oftmals an Personalkapazitäten in den Planungsämtern, um dem Investitionsstau zu begeg­nen. So ist heute ein Großteil der Kommunen als öffentlicher Akteur auf dem Immobilienmarkt unverzichtbar und handlungsunfähig zugleich.

Um den Problemen auf dem Wohnungsmarkt entgegenwirken zu können, müssen die Kom­munen in die Lage versetzt werden, wieder stärker eine aktive Wohnbau- und Flächenpolitik betreiben zu können. Öffentliche Flächen müssen vorrangig für neue Wohnungen im preis­werten Segment und für Sozialwohnungen sowie für die dringend benötigten barrierefreien und behindertengerechten Wohnungen zur Verfügung gestellt werden. Die Kommunen brau­chen eine finanzielle Ausstattung, die eine aktive Bodenpolitik ermöglicht. Hierzu braucht es kurzfristig eine Auslegung, wie nachhaltige Investitionen mit dem Haushaltsrecht (Schulden-bremse) vereinbart werden können und einen Altschuldenfonds.

Die Kommunen müssen, unterstützt von Land und Bund, in die Lage versetzt werden, ihren Bürgerinnen und Bürgern bezahlbaren Wohnraum gegen die Gewinnmaximierungsinteressen privater Investoren durchsetzen. Dabei müssen die vorhandenen kommunalen Instrumente wie ein kommunales Vorkaufsrecht auf Grundstücke geschärft werden. Außerdem könnte die Wohnungsnot mit sozialgerechter Bodennutzung und Konzeptvergaben sowie eigener kom­munaler Bautätigkeit bekämpft werden.

Im Rahmen des Baulandmobilisierungsgesetzes des Bundes wurden zwar die Möglichkeiten, Baugebote zu erlassen auch auf Gebiete (statt einzelne Grundstücke) ausgeweitet, allerdings wurde das Vorkaufsrecht nicht direkt ermöglicht. So müssen nun auf Landesebene entspre­chende Verordnungen verabschiedet werden, um den Städten und Gemeinden zu erlauben, brachliegende und spekulative Grundstücke zu kaufen und gemeinwohlorientiert zu entwi­ckeln.

Breite Bündnisse fordern, ein Recht auf Wohnen in der Verfassung zu verankern. Diesem Ziel schließt sich dieser Antrag ausdrücklich an. Auf internationaler Ebene gibt es bereits einige politische Zielsetzungen, die ein individuelles Recht auf Wohnen begründen. So heißt es in Art. 25 (1) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) der UN-Generalversamm­lung von 1948: „Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich […] Wohnung […].“ Der UN-Sozialpakt er­hebt die Grundsätze der AEMR im Jahr 1966 zu einer für alle Staaten bindenden, völkerrecht­lichen Verpflichtung, das Recht auf angemessenen Wohnraum ist in Art. 11 (1) verankert: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie an, einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unter­bringung, sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen. Die Vertragsstaaten unternehmen geeignete Schritte, um die Verwirklichung dieses Rechts zu gewährleisten, und erkennen zu diesem Zweck die entscheidende Bedeutung einer internationalen, auf freier Zu­stimmung beruhenden Zusammenarbeit an.“

Das Recht auf Wohnen ist keine neue Erfindung, sondern findet sich bereits in der Weimarer Reichsverfassung (WRV). Diese formuliere in Artikel 155: „Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen in einer Weise überwacht, die Missbrauch verhütet und dem Ziele zustrebt, jedem Deutschen eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien, be­sonders den kinderreichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtschafts­heimstätte zu sichern.“ Damit wurde der Staat aufgerufen, Wohnraum zu schaffen, der insbe­sondere nach dem 1. Weltkrieg dringend benötigt wurde.

Die Bundesländer Bayern, Bremen, Sachsen und Berlin haben in ihren Landesverfassungen die Idee aus der Weimarer Verfassung aufgenommen. Andere Landesverfassungen (wie die nordrhein-westfälische) regeln stattdessen die Wohnraumversorgung bzw. Wohnraumförde­rung als Staatszielbestimmungen. Nach Artikel 29 Absatz 2 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen habe das Land die Aufgabe, nach Maßgabe der Gesetze, „neue Wohn- und Wirt­schaftsheimstätten zu schaffen und den klein- und mittelbäuerlichen Besitz zu stärken.“ Ein Recht auf Wohnen für Einzelne lässt sich daraus nicht ableiten, aber zumindest ein Recht auf Unterstützung bei der Finanzierung des Wohnraums auch bei geringem Einkommen, daraus ergibt sich ein Regelungs- und Gestaltungsauftrag für die Politik. So ist zwingend geboten, dass der Staat die Grundvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein sichert. Dies spiegelt sich aber bisher nicht in der Bereitstellung von Flächen wieder, sondern sieht Zu­schüsse für angemessene Wohnung, Wohngeld und Wohnungshilfen vor. Diese Subventions­leistung wird allerdings direkt an den „überhitzten“ Wohnungsmarkt weitergegeben und behebt nicht die zugrundeliegenden Probleme der Bodenpolitik.

In der bayrischen Landesverfassung findet sich dazu ein Vorbild, das auch sinngemäß in die NRW-Verfassung übertragbar wäre. Dort heißt es in Artikel 161 Absatz 2: „Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.“ In NRW wären mit „die Allgemeinheit“ vor allem die Kommunen angesprochen, denn die Liegenschafts- und Grundstückspolitik zählen zum Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung. Die Kommunen sollen bei der Flächenpolitik In­strumente nutzen, die Spekulation mit dem dann öffentlichen Grund und Boden verhindern. Entsprechende Instrumente könnten einfach gesetzlich geregelt werden. Dazu zählen z.B. die Vergabe von Erbbaurechten, die Verpflichtung zu Konzeptvergaben oder Regelungen, welche vorsehen Bebauungspläne erst dann zu erstellen, wenn sich mindestens 50 Prozent der Grundstücke – wie beispielhaft in der Stadt Münster angewendet – in kommunaler Hand befin­den. Gerade das Erbbaurecht ist bereits bei seiner Einführung mit dem Ziel der Wohnungs­bauförderung und gleichzeitig zur Verhinderung von Bodenspekulation geschaffen worden, ihm kommt heute eine verstärkte Bedeutung hinsichtlich der Verfolgung von Nachhaltigkeits-belangen zu. Aus der oben genannten Formulierung der NRW-Landesverfassung in Artikel 29 Absatz 2 ergibt sich, dass für die Versorgung mit Wohnraum und eine aktive Bodenpolitik die Kommunen in die Lage versetzt werden müssen, dies mit auskömmlicher Personal- und Fi­nanzausstattung tun zu können.

  1. Der Landtag stellt fest

Im Vergleich zu anderen Bundesländern hat NRW eine reine Staatszielbestimmung zur För­derung des Wohnraums. Ein konkreter Anspruch auf Wohnraum ist bisher nicht formuliert. Angesichts der dargestellten Rechtsentwicklung sollte der Handlungsauftrag der Landesver­fassung zu einem umfassenden Recht auf Wohnen als Menschenrecht gestärkt und in Hinblick auf Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit erweitert werden. Dies würde die Gemeinwohlorientierung stärken und eine aktive Bodenpolitik unterstützen.

Die Rechtsentwicklung – insbesondere durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz nochmal verstärkt – zeigt, dass die Aufnahme von Nachhaltigkeitsaspekten und durch diese die Wahrung der Generationengerechtigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnt. Zum Rechtsverständnis der Nachhaltigkeit gehört auch eine sozialpolitische Dimen­sion.

Die oben aufgeführten Prognosen für eine sich weiter verschärfende Situation am Wohnungs­markt zeigen, dass es sich bei der aktuellen Wohnungspolitik nicht um eine dauerhafte Befrie­dung von Gemeinschaftsinteressen im Sinne der zukünftigen Generationen handelt. Hieraus ergibt sich also die Notwendigkeit, die beschriebene Rechtsentwicklung im Bereich des Woh­nens aufzunehmen und für ein verfassungsmäßiges Recht auf Wohnen zu sorgen.

Hinzu kommt, dass es durch das besagte Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der dar­aus folgenden Klimaschutzpolitik auch im Sinne der Generationengerechtigkeit keinesfalls zu einer sozialen Schieflage kommen darf. Auch in dieser Hinsicht ist die verfassungsmäßige Garantie auf angemessenen und bezahlbaren Wohnraum von höchster Bedeutung. Mit der Aufnahme in die Verfassung wird für die Kommunen eine Grundlage im Bereich Daseinsvor­sorge Wohnen geschaffen, die bislang nicht ausreichend formuliert ist und aus der sich künftig ggf. Individualrechte ableiten lassen.

Gleichzeitig wird mit einem solchen Verfassungsauftrag die Verknüpfung der Wohnungs- mit der Bodenfrage gestärkt, wie es sie bereits in der Weimarer Verfassung gab und wie sie bei­spielsweise in der bayrischen und der nordrhein-westfälischen Verfassung – hier allerdings nur in Ansätzen – besteht. Damit würde eine stärkere Grundlage für eine vorsorgende Flä­chen- und Bodenpolitik insbesondere der Kommunen gelegt, um Wohnraum zu schaffen. Zu­gleich wird eine Stärkung der Kommunen impliziert, damit sich auch vor Ort die Politik an Nachhaltigkeits- und sozialen Zielen orientiert.

Es ist klar, dass eine Verfassungsänderung allein keine einzige neue Wohnung schafft, aber doch den Rahmen darstellen könnte, aus dem sich verschiedene nachgelagerte Initiativen und Gesetzesänderungen aus dem Verfassungsauftrag „Recht auf Wohnen“ zielgerichtet ergeben.

III. Der Landtag beschließt:

Die Landesregierung wird aufgefordert,

  • einen Entwurf für eine Verfassungsänderung des Landes Nordrhein-Westfalen zu erarbeiten, der folgende Ziele beinhaltet:
  • Jede Bewohnerin und jeder Bewohner Nordrhein-Westfalens hat Anspruch auf angemessenen und bezahlbaren Wohnraum
  • Der Grundstücksverkehr und die Nutzung des Bodens orientieren sich an den Zielen der Nachhaltigkeit
  • Steigerungen des Bodenwerts, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, werden für die kommunale Gemeinschaft nutzbar gemacht
  • Die Förderung von Quartieren, Dörfern, Gemeinschaftsgärten und des Kleingartenwesens
  • aus diesen Zielen abgeleitet weitere Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die geeignet sind, die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum sicherzustellen:
  • eine Ausweitung der Wohnraumförderung mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Mietwohnungsbau
  • die verstärkte Förderung der Gründung von Genossenschaften und Baugruppen
  • Perspektivisch die Einführung einer Bodenwertsteuer als Grundsteuermodell in NRW und dabei die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Kommunen Planwertgewinne künftig zumindest teilweise abschöpfen können
  • im Landesentwicklungsplan bei den Siedlungsflächenbedarfen eine qualitative Festlegung von mindestens 30 Prozent für die Schaffung von bezahlbaren Wohnraum verbindlich zu treffen und die Regionalplanungsbehörden zu ermächtigen weitergehende und spezifische Regelungen in den Wohnungsmarktregionen des Landes in der Regionalplanung zu formulieren
  • zur Stärkung der finanziellen Situation der Kommunen ein Landesmodell zur Einrichtung eines kommunalen Altschuldenfonds zur Übernahme der kommunalen Liquiditätskredite erarbeiten und vorlegen
  • die Förderung des Aufbaus kommunaler Flächenfonds, ausgehend von einem Bodenfonds für die Innenstädte, verwaltet durch das Land
  • Unterstützungsangebot des Landes für mehr Konzeptvergaben in den Kommunen zu Gunsten von mehr Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau
  • die Verpflichtung von Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt zur sozialgerechten Bodennutzung mit mindestens 30 Prozent gefördertem Wohnraum
  • die konsequente Abkehr von der Vergabe landeseigener Liegenschaften nach Höchstgebot; Vergabe nur noch an kommunale oder genossenschaftlich organisierte Wohnungsbaugesellschaften zur Schaffung von sozialem und preisgünstigem Wohnraum oder an Kommunen für andere gemeinwohlorientierte Ziele
  • die Erstellung eines landesweiten Leerstands- und Baulückenkatasters
  • die Verschärfung der Mieterschutzverordnungen, die Ausweitung der Gebietskulissen auf alle angespannten Wohnungsmärkte in NRW und die Wiedereinführung der Umwandlungsverordnung
  • eine Ausrichtung aller Maßnahmen des Wohnungsbaus am 1,5 Grad Ziel für eine nachhaltige Bauentwicklung und klimaneutralen Gebäudebestand.