Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen zur Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 und dem Vorgehen der nordrhein-westfälischen Landesregierung und ihrer Behörden („PUA Hochwasserkata­strophe“)

Antrag der Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, GRÜNEN im Landtag und FDP

Portrait Astrid Vogelheim

I. Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses

Der Landtag Nordrhein-Westfalen setzt einen aus 11 stimmberechtigten Mitgliedern und einer entsprechenden Zahl von stellvertretenden Mitgliedern bestehenden Untersuchungsaus­schuss ein. Die zu vergebenden Sitze im Untersuchungsausschuss werden wie folgt verteilt:

CDU: 4 Mitglieder

SPD: 3 Mitglieder

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 2 Mitglieder

FDP: 1 Mitglied

AFD: 1 Mitglied

II. Sachverhalt

Nach dem Hochwasserereignis in Nordrhein-Westfalen im Juli 2021 wurde mit Beschluss des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 09.09.2021 der „Parlamentarische Untersuchungsaus­schuss Hochwasserkatastrophe“ (PUA V) (Drucksache 17/14944) eingesetzt. Die Arbeit des Ausschusses endete zwangsläufig mit dem Auslaufen der 17. Legislaturperiode, jedoch konnten mehrere Beweisbeschlüsse nicht abgearbeitet und ein Abschlussbericht nicht erstellt werden. Der Zeitraum von rund sieben Monaten erlaubte daher nur einen Zwischenbericht nebst Son­dervoten, welcher vom Landtagsplenum am 07.04.2022 beschlossen wurde. (Drucksache 17/16930).

Trotz des kurzen Zeitraums konnten zahlreiche der 74 Fragen des damaligen Einsetzungsbe-schlusses abgearbeitet werden, weitere Fragen ergaben sich erst im Verlauf der Ausschuss­arbeit. Das betrifft insbesondere die Zuständigkeit zur Gefahrenabwehr bei Großkatastrophen, die Vorbereitung zur Vermeidung von Hochwasserereignissen, die Kommunikation zwischen den Beteiligten und die technische und materielle Ausstattung zur Gefahrenabwehr und Be­kämpfung der Hochwasserkatastrophe.

Daneben wurden im Auftrag des PUA V Sachverständigengutachten angefertigt, die bisher nicht ausgewertet wurden. Auch konnten keine Ergänzungsfragen an die Sachverständigen gestellt werden. Ebenfalls ohne umfassende Auswertung blieben der am 20.01.2022 veröf­fentlichte 10-Punkte-Arbeitsplan des Umweltministeriums, der am 15.02.2022 vorgestellte 15-Punkte-Plan des Innenministeriums, sowie der am 05.04.2022 dem Parlament übersandte Be­richt des Herrn Albrecht Broemme (Vorlage 17/6729). Alle Gutachten und Pläne sollen losge­löst vom Untersuchungszeitraum in der Arbeit berücksichtigt werden.

Um die noch wenigen offenen Fragen abschließend zufriedenstellend und mit Rücksicht auf das Leid der betroffenen Bürgerinnen und Bürger in den Hochwassergebieten beantworten zu kön­nen, ist die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses erforderlich.

III. Untersuchungsauftrag

Der Ausschuss erhält die Aufgabe, mögliche Versäumnisse, Fehleinschätzungen und mögliches Fehlverhalten der damaligen Landesregierung, insbesondere der zuständigen Ministerien sowie der ihnen nachgeordneten Behörden während der Hochwasserkatastrohe zu untersuchen, die sich Mitte Juli 2021 ereignete. Dabei soll insbesondere die gesetzlich übertragene Verantwor­tung und ihre tatsächliche Erfüllung durch die Beteiligten zur Vermeidung, Vorbereitung und Be­wältigung der Hochwasserkatastrophe sowie ihre zur Erledigung ihrer diesbezüglichen Aufga­ben erfolgte Kommunikation und die diesbezüglich verwendete technische und materielle Aus­stattung untersucht werden.

Die bereits gewonnenen Ergebnisse der Arbeit des PUA V, insbesondere dargestellt im Zwi­schenbericht nebst Sondervoten vom 25.03.2022 (Drucksache 17/16930), aber auch die Ergeb­nisse der dort nicht mehr berücksichtigten Beweisaufnahme macht sich der Untersuchungsaus­schuss zu eigen und werden Bestandteil der Arbeit des neuen Untersuchungsausschusses.

IV. Untersuchungszeitraum

Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich auf die Zeit vom 09.07.2021 bis zum 09.09.2021. So­weit Gutachten oder Untersuchungen zur Aufarbeitung der Hochwasserkatastrophe nach Ende des Untersuchungszeitraums erstellt wurden, werden diese davon abweichend erfasst.

V. Fragen

Im Rahmen seines Untersuchungsauftrages hat der Untersuchungsausschuss insbesondere, aber nicht ausschließlich, die nachfolgend aufgelisteten Fragen noch zu klären:

  1. Ab wann war der Landesregierung bzw. den ihr nachgeordneten Behörden zum ersten Mal bewusst, dass die extremen Niederschläge für Menschen in Nordrhein-Westfalen lebensgefährlich sein können und wer wurde dazu durch wen informiert?
  2. Was unternahmen die Landesregierung und die ihr nachgeordneten Behörden ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Wetterinformationen bzw. der Warnungen?
  3. Welches Verfahren gilt innerhalb der Landesregierung hinsichtlich der hydrologischen Lageberichte und wer hat diese wann erhalten?
  4. Welche jeweiligen Lagebilder lagen der Kommunikation innerhalb der Landesregierung bzw. der Landesregierung mit den Kommunen zugrunde? Gab es in diesem Rahmen eine zwischen den Akteuren abgestimmte Lagebeurteilung?
  5. Wie haben sich Erkenntnisse und Bewertungen der Lage durch die Landesregierung im Zeitablauf verändert?
  6. Welche Ressorts der Landesregierung wurden wann informiert und ggf. wie beteiligt?
  7. Erfolgte vor oder während der Katastrophe eine Kontaktaufnahme zu den Behörden an­derer Bundesländer bzw. zu Bundesbehörden?
  8. Gab es eine Zusammenarbeit mit diesen und wie gestaltete sie sich konkret?
  9. Wann wurde mit welcher Begründung nur die Koordinierungsgruppe des Krisenstabs der Landesregierung eingerichtet, der Krisenstab der Landesregierung indes nicht? Welche Mitglieder der Landesregierung waren an dieser Entscheidung wie beteiligt?
  10. Wie war die Koordinierungsgruppe des Krisenstabs jeweils besetzt, wie ihre Tätigkeit dokumentiert und aus welchen Gründen wurde das Umweltministerium erst am 15. Juli 2021 gebeten, an der Koordinierungsgruppe des Krisenstabs teilzunehmen?
  11. Inwiefern hat die Landesregierung, namentlich das Umwelt- und Innenministerium sowie die Staatskanzlei darauf hingewirkt, dass die Krisenstäbe der Bezirksregierungen einge­richtet und rund um die Uhr besetzt werden?
  12. Inwiefern haben die Behörden des Landes die Hochwassergefahren- und Hochwasser-risikokarten des Landes zur Bewertung der Lage hinzugezogen?
  13. Welche Handlungsaufforderungen haben die Landesregierung bzw. die ihr nachgeord­neten Behörden an die Kreise und kreisfreien Städte als untere Katastrophenschutzbe-hörden in ihrem Zuständigkeitsbereich ausgesprochen?
  14. Wann und warum entschied sich die Landesregierung, insbesondere das Innenministe­rium dagegen, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, eine Warnung der Bevölkerung vorzunehmen?
  15. Gab es eine zwischen der Landesregierung und den weiteren Akteuren abgestimmte Unterrichtung der Öffentlichkeit oder agierten die unterschiedlichen Akteure selbststän­dig?
  16. Wurden durch Stellen des Landes Evakuierungen vorbereitet und wenn ja, wie durchge­führt?
  17. Welche Aufgaben und Pflichten haben Wasserverbände und andere Talsperrenbetreiber in Fällen von Unwettern und durch Unwetter drohenden Katastrophen?
  18. Welche Kommunikation gab es wann zwischen Aufsichtsbehörden und Wasserverbän­den und anderen Talsperrenbetreibern?
  19. Welche Kenntnisse hatten die Wasserverbände und andere Talsperrenbetreiber in den betroffenen Gebieten hinsichtlich der Hochwasserlage?
  20. Wann wurden die Talsperrenbetreiber von der Landesregierung oder von ihr nachgeord­neten Behörden informiert, respektive gewarnt?
  21. Hat die Landesregierung bzw. haben die ihr nachgeordneten Behörden die einzelnen Talsperrenbetreiber dazu aufgefordert, Wasser abzulassen und, wenn ja, wann?
  22. Konsequenzen aus der Hochwasserkatastrophe
  23. Welche Schlussfolgerungen müssen aus dem Umgang aller Beteiligten mit der Hoch­wasserkatastrophe gezogen werden?
  24. Welche Konsequenzen müssen auf Landesebene gezogen werden, um besser auf zu­künftige Katastrophenfälle (u.a. Wetterextreme) reagieren zu können?
  25. Wie können Zusammenarbeit und Kommunikation der Behörden in NRW und zwischen den nordrhein-westfälischen Behörden und den Behörden anderer Bundesländer, des Bundes und der EU verbessert werden?
  26. Wie können die unteren Katastrophenschutzbehörden besser durch die Landesbehör­den unterstützt werden?
  27. Wie kann die Bevölkerung zukünftig vor Naturkatastrophen besser geschützt werden?
  28. Wie kann eine zuverlässige Kommunikation zwischen den handelnden Behörden und Personen jederzeit während einer Katastrophe sichergestellt werden?
  29. Sind die nach Mitte Juli 2021 ergriffenen Maßnahmen der Landesregierung ausreichend, um vor Großschadensereignissen im Allgemeinen und Unwettern der vorliegenden Art im Speziellen die Bürgerinnen und Bürger, das Eigentum, die Wirtschaft und die Infra­struktur des Landes ausreichend zu schützen?
  30. Welche Maßnahmen müssen für diesen Schutz zusätzlich ergriffen werden?
  31. Inwieweit müssen Änderungen am BHKG vorgenommen werden, um Katastrophen­schutz und -vorsorge in NRW zu verbessern?

VII. Teilweiser und vollständiger Abschlussbericht

Der Untersuchungsausschuss wird beauftragt, soweit möglich, nach Abschluss seiner Unter­suchungen dem Landtag gemäß § 24 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen einen Abschlussbericht vorzulegen. Sollte ein Abschlussbericht nicht vorgelegt werden können, hat der Untersu­chungsausschuss auf Verlangen des Landtages oder der Antragsteller über abtrennbare Teile des Einsetzungsauftrages dem Landtag einen Teilbericht zu erstatten, wenn die Beweisauf­nahme zu diesem Teil abgeschlossen und der Bericht ohne Vorgriff auf die Beweiswürdigung der übrigen Untersuchungsaufträge möglich ist. Der Landtag kann darüber hinaus vom Unter­suchungsausschuss jederzeit bei Vorliegen eines allgemeinen öffentlichen Interesses oder wenn ein Schlussbericht vor Ablauf der Wahlperiode nicht erstellt werden kann, einen Zwi­schenbericht über den Stand der Untersuchungen verlangen. Dieser darf eine Beweiswürdi­gung nur solcher Gegenstände der Verhandlungen enthalten, die der Untersuchungsaus­schuss mit zwei Dritteln seiner Mitglieder beschlossen hat. Im Gegensatz zu einem

Schlussbericht enthält der Zwischenbericht ohne diese 2/3 Mehrheit keine Beweiswürdigung. Der Abschlussbericht, der Teilbericht oder der Zwischenbericht erfolgen schriftlich.

VIII. Einholung externen Sachverstandes

Der Untersuchungsausschuss kann jederzeit externen Sachverstand einholen, sofern dieser zur Erfüllung des Auftrags notwendig ist und im unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag steht. Ebenso darf externer Sachverstand zur Klärung von Fragestel­lungen in Anspruch genommen werden, wenn Rechte des Untersuchungsausschusses oder damit in Verbindung stehende Verfahrensfragen von grundlegender oder auch situativer Not­wendigkeit betroffen sind, ohne deren Beantwortung ein Fortführen der Untersuchung nicht oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung möglich ist. Die hierzu notwendigen Mittel sind dem Ausschuss zu gewähren.

IX. Ausstattung und Personal

Dem Untersuchungsausschuss und den Fraktionen werden bis zum Ende des Verfahrens zur Verfügung gestellt:

  1. Allen Fraktionen und den Mitarbeitern des Ausschusses werden die erforderlichen Räume im Landtag und die entsprechenden technischen Ausstattungen zur Verfügung gestellt.
  2. Dem Ausschuss und dem oder der Vorsitzenden werden gestellt:
  3. zwei Stellen für Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Laufbahngruppe 2.2 und
  4. eine weitere personelle Unterstützung aus der Laufbahngruppe 2.2 oder 2.1 sowie aus dem Assistenzbereich.
  5. Den fünf Fraktionen im Landtag werden gestellt:
  6. Die erforderlichen Mittel für je zwei Stellen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Laufbahngruppe 2.2 sowie
  7. eine Stelle zur Assistenz

Bezogen auf die Abrechnung können wahlweise Pauschalbeträge bis zur Verabschiedung des Untersuchungsausschussberichts je angefangenen Monat der Tätigkeit gewährt werden. Al­ternativ werden die Kosten des tatsächlichen Personaleinsatzes abgerechnet.