Mit einer Arbeits- und Fachkräfteoffensive im Bereich der beruflichen Bildung dem Fachkräftemangel in Nordrhein-Westfalen begegnen

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNEN im Landtag

Portrait Marc Zimmermann

I. Ausgangslage

Nordrhein-Westfalen ist als wirtschaftlich starkes Land der Bundesrepublik in besonderer Weise auf Fachkräfte angewiesen. Doch in vielen Bereichen mangelt es zunehmend an Fach­kräften – in einer Vielzahl an Branchen sind die Fachkräfteengpässe deutlich zu spüren. Laut einer aktuellen Umfrage des ifo-Instituts spüren deutschlandweit 87 Prozent der Unternehmen die Auswirkungen des Fachkräftemangels; mehr als ein Drittel sieht dadurch sogar die Wett­bewerbsfähigkeit am Standort Deutschland gefährdet. Ohne eine Stärkung der beruflichen Bil­dung bekommen wir die Transformation hin zur Klimaneutralität nicht hin. Dazu brauchen wir Fachkräfte. Nordrhein-Westfalen wird hierzu die Potenziale der beruflichen Bildung heben.

Der Mangel stellt nicht nur die einzelnen Unternehmen und Einrichtungen vor immense Prob­leme, sondern belastet die gesamte Volkswirtschaft. Der demographische Wandel verschärft zukünftig die Situation am Arbeitsmarkt zunehmend: So sind z. B. gut ein Drittel der Beschäf­tigten in den überwiegend handwerklichen Berufen über 50 Jahre alt. Diese Arbeitskräfte wer­den in den kommenden Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden und große Lücken in den Betrieben hinterlassen und zu einem großen Wissensverlust führen.

Vor diesem Hintergrund muss es darum gehen, alle verfügbaren Potenziale zu aktivieren: Den Arbeits- und Fachkräfteengpässen ist auf mehreren Ebenen und über die gesamte Qualifizie­rungszeit von Menschen zu begegnen. Es bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes, um die Schulabgänge ohne Abschluss zu reduzieren und Ausbildungsabbrüche zu verringern, den Anteil von Menschen über 55 bei der Erwerbsbeteiligung ebenso wie den der Frauen zu erhö­hen, Zuwanderung und beruflichen Seiten- und Quereinstieg zu ermöglichen, die Arbeitsab­wanderung zu reduzieren, die Rahmenbedingung für die Menschen zu schaffen das Arbeits­zeitvolumen zu erhöhen und zu flexibilisieren, Chancen der Digitalisierung und der Automati­sierung zu nutzen sowie die Aus- und Weiterbildung voranzutreiben.

Eine Schlüsselrolle bei der Fachkräftesicherung kommt der beruflichen Bildung zu. Die duale Ausbildung vermittelt jungen Menschen eine nachhaltige Perspektive und ist zentraler Erfolgs­garant für die nordrhein-westfälische Wirtschaft und sichert zugleich Wohlstand und soziale Sicherheit in unserem Land.

Der Mittelstand ist das Rückgrat der nordrhein-westfälischen Wirtschaft. Die rund 730.000 mit­telständischen, oft familiengeführten Betriebe, stellen den Großteil aller Unternehmen des Lan­des. Über die Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und fast drei Viertel der Auszubildenden sind hier tätig.

Die Corona-Pandemie sowie gesellschaftliche Trends setzen das System der beruflichen Bil­dung allerdings unter Druck. Immer mehr Betriebe finden keine Bewerberinnen und Bewerber. Gleichzeitig bilden die Betriebe weiterhin engagiert aus und haben 2021 im Vergleich zu 2011 sogar sechs Prozent mehr Ausbildungsplätze angeboten. Diesen Sommer war die Situation auf dem Ausbildungsmarkt weiterhin angespannt: 32.250 Ausbildungsstellen waren in Nord­rhein-Westfalen im August 2022 noch frei bzw. unbesetzt. Einen Ausbildungsplatz suchen ak­tuell noch rund 16.000 junge Menschen. Die Zukunftskoalition aus CDU und den GRÜNEN wird die Rahmenbedingungen für eine duale Ausbildung weiter verbessern. Wir wollen das Bild der beruflichen Bildung in der Gesellschaft und bei jungen Menschen aufwerten. Berufli­che Bildung bedeutet individuelle Karrierechancen – wir werden dies durch Regierungshan­deln vermitteln und junge Menschen dabei unterstützen, diese Chancen zu ergreifen. Dabei wollen wir auch junge Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen besonders in den Blick nehmen. Wir wollen zum Berufsbildungsland Nummer 1 werden.

Ein entscheidender erster Schritt ist, die Berufsorientierung in den Schulen zu stärken: dafür wollen wir das Übergangssystem Schule-Beruf mit seinem Herzstück „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA) vereinfachen, Orientierungstage an Schulen sowie mehr Praxisabschnitte einführen. Bei Berufserkundung oder Praktika soll die Chance offenstehen, Handwerks- oder Industriebetriebe kennenzulernen. Zudem sollen in den Schulen mehr Ausbildungsbotschaf­terinnen und -botschafter über ihre Erfahrungen mit der dualen Ausbildung informieren.

Duale Ausbildung ist dann attraktiv, wenn sie modern ist. Deshalb wollen wir die Finanzierung außerbetrieblicher und schulischer Ausbildungszentren verbessern sowie Bildungsorte moder­nisieren. Wir wollen Überbetriebliche Bildungsstätten und Berufskollegs weiterentwickeln und kleine Fachklassen absichern, was insbesondere für den ländlichen Raum relevant ist.

Ferner wollen wir die Meistergründungsprämie attraktiver gestalten sowie als erstes Bundes­land die Drittelfinanzierung im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildungsstätten von Hand­werk und Industrie sicherstellen.

Zur Fachkräfteoffensive gehört auch die gezielte Anwerbung von Fachkräften aus dem Aus­land, verbunden mit einer Vereinfachung bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse, so­wie eine gelingende Integration von Geflüchteten und Geduldeten in Ausbildungen und damit in den Arbeitsmarkt.

Fachkräftesicherung und duale Ausbildung sind systemrelevant für die wirtschaftliche Prospe­rität Nordrhein-Westfalens. Die Zukunftskoalition aus CDU und den GRÜNEN weiß um diese Bedeutung, die mit einer umfassenden Fachkräfteoffensive für den Bereich der beruflichen Bildung vorangetrieben werden soll.

II. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung, zeitnah eine umfangreiche Arbeits- und Fach­kräfteoffensive zu entwickeln. Eckpunkte einer solchen Offensive können u. a. sein:

  • Steigerung der Wertschätzung in der Gesellschaft für die duale Ausbildung,
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Berufsorientierung, die duale Ausbildung und die Meistergründung einschließlich erweiterter Kooperationsmöglichkeiten von Berufs­kollegs untereinander sowie auch kreis- und länderübergreifend,
  • Einsetzen einer interministeriellen Steuerungsgruppe um Weiterbildung, berufliche Bildung und Berufskollegs zielgerichtet zusammenzubringen,
  • Maßnahmen zur Aktivierung von Personengruppen, deren Anteil an der Erwerbsbeteili­gung bisher geringer ist – auch unter Berücksichtigung von entsprechenden Angeboten aus zivilgesellschaftlichen Organisationen,
  • Zuzug von Arbeits- und Fachkräften aus dem Ausland, Vereinfachung der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und eine verbesserte Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten sowie von Geduldeten in Ausbildung,
  • Ausweitung von Seiten- und Quereinstiegsmöglichkeiten,
  • Öffentlichkeitswirksame Kampagnen, um auf die verschiedenen von Fachkräftemangel be­troffenen Berufsgruppen aufmerksam zu machen.