Billigkeitsleistungen für die Betroffenen des Bottroper Apothekerskandals

Antrag der Fraktionen von CDU, FDP und GRÜNEN im Landtag

Portrait Jule Wenzel (c) M Laghanke

I. Ausgangslage

Der ehemalige Inhaber der „Alten Apotheke Bottrop“ hat über Jahre hinweg patientenindividu­elle Krebstherapeutika hergestellt und abgegeben, die eine reduzierte Wirkstoffmenge oder keinen Wirkstoff enthielten. Aufgrund der Umstände dieses furchtbaren Verbrechens haben die Betroffenen nach gegenwärtigem Stand keinerlei Leistungsansprüche gegenüber dem Staat im Zusammenhang mit dem Apothekerskandal, und sie haben faktisch auch keine zivil­rechtlichen Entschädigungsmöglichkeiten gegen den Täter.

Der Landtag hat daher im Dezember 2021 zur Unterstützung der Betroffenen dieses soge­nannten Bottroper Apothekerskandals 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die vom Mi­nisterium für Arbeit, Gesundheit und Soziales als Billigkeitsleistung in Höhe von jeweils 5.000 Euro ausgezahlt werden.

Diese Billigkeitsleistung erhalten nach der dem Bewilligungsverfahren zugrundeliegenden Richtlinie die rund 2.000 Personen, die nach dem Strafrechtsurteil des Landgerichts Essen (56 KLs 11/17) Betroffene der vorsätzlichen Verstöße des Apothekers S. gegen das Arznei­mittelgesetz durch das Herstellen und Inverkehrbringen von unterdosierten oder kontaminier­ten Krebsmedikamenten im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 28. November 2016 waren, beziehungsweise deren Hinterbliebene. Sie sind nach den Feststellungen des Gerichts als Opfer der Straftaten des ehemaligen Apothekers anzusehen.

Im laufenden Verfahren zeigt sich jedoch, dass die Antragszahlen weit hinter den Erwartungen zurückbleiben.

Da die Adressen der Berechtigten nicht bekannt waren, konnte zunächst lediglich öffentlich über die Leistung informiert werden. Derzeit wird versucht, die Adressen der nach der Richtli­nie antragsberechtigten Personen zu ermitteln, die noch keinen Antrag gestellt haben, und diese persönlich zu informieren. Dies ist aber sehr zeitaufwändig. Da die Antragsfrist zum 31. Dezember 2022 endet, ist zu befürchten, dass Betroffene ihren Antrag nicht rechtzeitig werden stellen können. Die Antragsfrist sollte daher bis zum 31. März 2023 verlängert werden. Doch auch dann ist davon auszugehen, dass die zur Verfügung stehenden Mittel noch bei Weitem nicht ausgeschöpft werden.

Hinzu kommt, dass es noch weitere Menschen gibt, die patientenindividuelle Medikamenten­zubereitungen aus der „Alten Apotheke Bottrop“ erhalten haben, für die das Landgericht Essen den ehemaligen Apotheker freigesprochen hat oder deren Fälle im Prozess aus verschiedenen

Gründen nicht berücksichtigt wurden. Trotzdem leiden auch diese Menschen unter dem Ge­schehenen, weil sie nicht sicher sein können, dass ihre Medikamente ordnungsgemäß dosiert waren.

II. Beschlussfassung

  1. Der Landtag stellt fest,
  2. dass die in ihrer Höhe auf Basis der vom Gericht festgestellten Anzahl von 2.000 Op­fern einer nachgewiesenen Straftat kalkulierten bereitgestellten Mittel für die Unterstüt­zung der Betroffenen aufgrund der geringen Anzahl von Anträgen absehbar nicht aus­geschöpft werden.
  3. dass aufgrund des schrecklichen Ausmaßes des Skandals letztlich niemand von den­jenigen, die in der Apotheke hergestellte Krebsmedikamente bekommen haben, weiß, ob diese richtig dosiert waren und insofern weitere, bisher nicht von der Richtlinie er­fasste Menschen unter den schrecklichen Taten des Apothekers leiden und folglich Unterstützung verdient haben.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  1. die Antragsfrist für die nach aktuellem Stand der Richtlinie leistungsberechtigten Opfer einer Straftat bis zum 31. März 2023 zu verlängern;
  2. parallel den Kreis der Anspruchsberechtigten auf alle Personen sowie deren Hinterblie­bene (Kinder oder Ehegatten bzw. Lebenspartner im Sinne des Gesetzes über die ein­getragene Lebenspartnerschaft) auszuweiten, die nachweislich im Zeitraum vom 1. Ja­nuar 2001 bis zum 28. November 2016 individuell zubereitete Krebsmedikamente aus der „Alten Apotheke Bottrop“ erhalten haben. Der Nachweis der Anspruchsberechti­gung ergibt sich entweder aus der namentlichen Nennung im Urteil oder durch Unter­lagen (z.B. Rechnungen, Rezepte), aus denen hervorgeht, dass die betroffene Person in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 28. November 2016 individuell zubereitete Krebsmedikamente (Zytostatika-Zubereitungen) aus der Alten Apotheke Bottrop erhal­ten hat;
  3. für den erweiterten Personenkreis einen Stichtag (z. B. 30. Juni 2023) festzulegen, bis zu dem die Anträge eingereicht werden können, die nach dem 31. März 2023 verfüg­baren Restmittel dann unter den bis dahin eingegangenen Anträgen gleichmäßig auf­zuteilen und den Betroffenen oder ihren Hinterbliebenen einmalig eine Billigkeitsleis­tung in der entsprechenden Höhe, die aber maximal 5.000 Euro beträgt, auszuzahlen.