Fachkräfteoffensive für den Bereich Schule

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNE im Landtag

Portrait Lena Zingsheim-Zobel

I. Ausgangslage

Deutschland steht vor einem breiten und umfassenden Fachkräftemangel, der viele Bereiche betrifft. Auch an den Schulbereich werden Forderungen erhoben, dass er einen Beitrag zur Behebung des Fachkräftemangels leistet. So richtig und wichtig diese Forderung ist, so sehr leidet jedoch auch der Schulbereich selbst unter Fachkräftemangel in seinen Reihen, der seine Tätigkeit deutlich erschwert. Auch bei der Realisierung des Rechts Anspruchs auf Ganztag wird die Erschließung ausreichender Fachkräfte eine Kernaufgabe sein.

CDU und Bündnis 90/Die Grünen haben in ihrem Zukunftsvertrag die Verbesserung der Un­terrichtsversorgung aus gutem Grund zu einem Schwerpunkt erklärt. Die Landesregierung hat bereits ein Handlungskonzept „Unterrichtsversorgung“ erarbeitet, das viele Punkte umfasst, um Lehrkräfte zu gewinnen und zu halten.

Zur Fachkräftegewinnung für die Schulen müssen alle Potentiale genutzt werden: Der Ausbau von Studienkapazitäten, die Senkung der Studienabbrecherquote, die Erhöhung der Attrakti-vierung des Lehrberufs. Diese Maßnahmen sind wichtig, wirken aber nicht alle kurzfristig. Den­noch müssen sie mit voller Energie weiterverfolgt werden.

Daneben sind zahlreiche weitere Maßnahmen möglich und notwendig, die auch kurz- und mit­telfristig Verbesserungen erzielen, Lehrkräfte entlasten und den Lehrberuf attraktiver machen.

Zu Recht umfasst das Handlungskonzept daneben auch weitere Punkte wie die Ausweitung des berufsbegleitenden Lehramtserwerbs für Seiteneinsteiger oder der mögliche Einsatz von Lehrkräften mit Lehramt Sekundarstufe II an Grundschulen. Viele zentrale Maßnahmen in die­sem Handlungskonzept wurden im Nachgang durch die Empfehlungen der Ständigen Wissen­schaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz bestätigt.

Der Lehrermangel ist besonders an den Grundschulen erheblich; wenn auch von Schule zu Schule unterschiedlich ausgeprägt. Während es für das Lehramt Sekundarstufe II in mehreren Fächern mehr Studierende gibt, als der Bedarf aufzeigt, ist es im Lehramt Primarstufe und der Sekundarstufe I umgekehrt. Deshalb kann die von der Zukunftskoalition versprochene und bereits mit dem Nachtragshaushalt 2022 eingeleitete Angleichung der Besoldung zwischen beiden Bereichen neben der Frage der Gerechtigkeit der Entlohnung auch als Anreiz wirken.

Weiter bezieht sich der Fachkräftemangel an unseren Schulen nicht nur auf Lehrerinnen und Lehrer. Zum Beispiel setzt die inklusive Beschulung von Schülern mit und ohne ausgewiese­nen sonderpädagogischen Förderbedarf voraus, dass nicht nur Lehrerinnen und Lehrer, son­dern weitere Menschen unterschiedlichster Profession und Perspektive unter dem Dach der Schule gemeinsam agieren. Häufig sind die sonderpädagogischen Kapazitäten an den Schu­len des Gemeinsamen Lernens unter- oder gar unbesetzt. Eine Chance für mehr Unterrichts­versorgung aber auch der Möglichkeitserweiterung von Förderung ist der eigenständige Un­terricht durch Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, sowie weiterer Unterrichtsent­wicklung. Damit einher geht der intensivere Austausch auf fachlicher Ebene sowie über die Fördermöglichkeiten.

Unbesetzte Lehrerstellen können zu Unterrichtsausfall führen oder auch zu einer stärkeren Beanspruchung der übrigen Lehrkräfte. Der Wechsel in Teilzeit kann dabei Folge und Grund der vermehrten Belastung aller Lehrinnen und Lehrer sein. So richtig Teilzeitmodelle für die Attraktivität des Lehrerberufs sind, so sehr müssen Anträge auf voraussetzungslose Teilzeit in Abhängigkeit von der Unterrichtsversorgung betrachtet werden. Umso bedeutsamer ist die Ausschöpfung aller Entlastungsmaßnahmen für Lehrerinnen und Lehrer im tagtäglichen Schulbetrieb. Dazu gehören Maßnahmen wie die Vereinfachung von AOSF-Verfahren oder die Reduzierung von Klassenarbeiten im Rahmen von KMK-Vereinbarungen, aber vor allem auch die personelle Unterstützung für Bereiche, die nicht zu den Kernaufgaben von Lehrerin­nen und Lehrern zählen. Auch multiprofessionelles Personal entlastet die Lehrkräfte. So sind sozialpädagogische Fachkräfte eine wichtige Ergänzung besonders für die Grundschulen, ebenso hat die Schulsozialarbeit heute einen höheren Stellenwert denn je.

Einen wichtigen Beitrag können Lehramtsanwärterinnen und -anwärter leisten. Deshalb wurde mit dem Handlungskonzept die Möglichkeiten für sie erweitert, zusätzlichen selbständigen Un­terricht zu leisten. Das Projekt students@school zeigt, dass das Unterrichten schon während des Studiums geeignet ist, die Motivation für den Lehrberuf zu steigern und gleichzeitig eine wirksame Unterstützung für die Schulen zu geben. Auch Programme wie „Teach first“ oder „Balu und Du“ bieten als Mentoringmodelle interessante Ansätze der Unterstützung der Lehr­kräfte und erweitern die Perspektive auf die Schülerinnen und Schüler auch hinsichtlich Bil­dungsgerechtigkeit..

Die Vielfalt der Aufgaben und die Vielfalt der Professionen, die heute unter dem Dach einer Schule vertreten sind, macht es sinnvoll, die Aufgaben des multiprofessionellen Personals exakter zu beschreiben und Qualitätskriterien zu definieren, um diese wichtigen Ressourcen sinnvoll und passgenau nutzen zu können.

Mehr pädagogische Freiheit und lebensnaher Unterricht machen den Lehrberuf attraktiver. Die Koalition hat sich darauf verständigt, mehr Lernen in Projekten an außerschulischen Lernorten und überfachliches Lernen zu ermöglichen und Schulen den Raum zu geben, sich regelmäßig im Rahmen der Unterrichtszeit zusätzlich mit aktuellen Themen und Entwicklungen fächer-und jahrgangsübergreifend zu beschäftigen. Außerdem sollen Demokratiebildung sowie Bil­dung für nachhaltige Entwicklung gestärkt werden. Gerade im Grundschulbereich muss die Stärkung der Basiskompetenzen klar im Fokus stehen.

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Der Fachkräftemangel ist für das Schulsystem eine doppelte Herausforderung: Es muss nicht nur einen Lösungsbeitrag leisten, sondern leidet auch selbst unter fehlenden Fach­kräften.
  • In Anbetracht der vielfältigen Einflussfaktoren auf den Fachkräftemangel und damit die Unterrichtsversorgung verspricht nicht ein einzelner Lösungsansatz Erfolge, sondern es bedarf eines breiten Maßnahmenbündels, um dem Fachkräftemangel im Schulbereich zu begegnen.
  • Maßnahmen gegen Fachkräftemangel müssen auch im Schulsystem gut aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt sein.
  • Vor diesem Hintergrund ist das umfangreiche und weiter zu verfolgende Handlungskon­zept „Unterrichtsversorgung“ des Ministeriums für Schule und Bildung der richtige An­satz, um den bestehenden Herausforderungen zu begegnen.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung, bei der Umsetzung des Handlungskonzepts zur Unterrichtsversorgung u. a. folgende Aspekte sowohl inhaltlich als auch finanziell zu prüfen und zu berücksichtigen:

  • die sinnvolle, kriteriengestützte und einem Monitoring unterliegende Entfristung von Ar­beitsverträgen bei Vertretungs(lehr)kräften
  • den Einsatz von zusätzlichen Kräften (z.B. als Assistenzlehrkräfte) im Unterricht aus wei­teren Professionen ggf. mit einer Perspektive für den Seiteneinstieg in den Lehrberuf zu prüfen
  • die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen bei Berufen für den Einsatz an Schu­len zu vereinfachen und zu beschleunigen
  • die Möglichkeiten des Einsatzes von Lehramtsanwärterinnen und -anwärtern auszuwei­ten
  • das Programm students@school fortzusetzen und auszubauen
  • schulische und außerschulische Mentoringprogramme, die gezielt Schülerinnen und Schüler fördern, zu unterstützen und auszubauen
  • bei multiprofessionell tätigem Personal die Zielgruppen für seinen Einsatz zu erweitern
  • für multiprofessionell tätiges Personal transparente Qualitätskriterien und Aufgabenbe­schreibungen zu prüfen
  • innerhalb der Schulen Kooperations- und Austauschmöglichkeiten multiprofessioneller Teams zu schaffen
  • den Einsatz von sonderpädagogischen Lehrkräften zwischen Gemeinsamen Lernen und den Förderschulen bedarfsgerecht auszugestalten
  • Zusätzliche Ressourcen durch Veränderungen in der Lehrkräfteausbildung gewinnen
  • Reform der Fortbildungsstruktur für Lehrkräfte anpassen