Landtag - Düsseldorf:Schwarz-Grün: "Vielleicht für die CDU manchmal anstrengend"

Landtag - Düsseldorf: Wibke Brems (r) und Verena Schäffer, die beiden Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/die Grünen in NRW. Foto: Oliver Berg/dpa/Archivbild
Wibke Brems (r) und Verena Schäffer, die beiden Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/die Grünen in NRW. Foto: Oliver Berg/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Sie haben schon mit der SPD zusammen regiert, waren in der Opposition, und seit bald acht Monaten bilden die Grünen in Nordrhein-Westfalen mit der CDU eine Koalition. Auf den noch vom Wahlerfolg beseelten Honeymoon der Koalitionsverhandlungen folgt für die Grünen jetzt die Arbeit an der Durchsetzung ihrer Ziele.

Dass das schwarz-grüne Experiment nicht immer ganz rund läuft, lassen die beiden Fraktionschefinnen Verena Schäffer (36) und Wibke Brems (42) nur ein wenig durchblicken. Nach außen betont Schäffer: "Die Zusammenarbeit zwischen uns und der CDU, insbesondere der Fraktionsspitze, ist gut und vertrauensvoll." Klar sei aber auch, "dass wir Grüne und die CDU häufig unterschiedliche Perspektiven auf die Themen haben und dass wir deshalb auch viel im Diskurs sind."

Die erste große Belastungsprobe für die Grünen-Fraktion war die Räumung des Braunokohledorfs Lützerath im Januar. Brems spricht von "viel Austauschbedarf" in der Fraktion, was so viel heißen dürfte wie: Es gab große Diskussionen. Doch zu einem offenen Kampf kam es wohl nicht. "Wir greifen uns nicht gegenseitig persönlich an", sagt Brems.

Die Braunkohlegegner hatten den Grünen vorgeworfen, ihre Ideale verraten zu haben. Das dürfte die Fraktion schwer getroffen haben, die den Räumungsbeschluss für Lützerath uneingeschränkt mittrug. "Es ist klar, dass Lützerath kein einfaches Thema war", sagt Schäffer. "Wir Grüne haben den Protest gegen Braunkohle und Garzweiler quasi in unserer DNA. Wir haben immer dafür gekämpft, Garzweiler zu verkleinern, das haben wir auch geschafft."

Dass Lützerath trotzdem abgerissen wurde, um die klimaschädliche Braunkohle dort abzubaggern, war bitter für die Grünen. "Umso mehr herrscht jetzt Einigkeit, dass wir jetzt nach vorn noch mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren liefern", sagt Schäffer.

Die Grünen machen nun Druck auf die CDU, um ihre im Koalitionsvertrag festgeschriebenen klimapolitischen Ziele zu erreichen. Offen unzufrieden äußert sich Brems über das CDU-geführte Bauministerium. Das Haus von Ministerin Ina Scharrenbach habe immer noch keine Verordnung für den ersten Schritt in der Solarpflicht vorgelegt, sagt Brems. "Da bin ich enttäuscht." Denn der erste Schritt - die Solarpflicht für öffentliche Gebäude - sollte eigentlich zum 1. Januar kommen - so steht es im Koalitionsvertrag.

"Alle müssen noch mehr dazu kommen, an Lösungen zu arbeiten, das muss der Anspruch in dieser Koalition sein", sagt Energie-Expertin Brems. So seien beim Ausbau der Windkraft die ersten Schritte bei der Abschaffung der Mindestabstände für Windenergieanlagen gemacht worden. Aber es gebe wie bei der Solarenergie noch viel zu tun.

Laut Koalitionsvertrag sollen binnen fünf Jahren in NRW 1000 zusätzliche Windkraftanlagen errichtet werden. Nach Zahlen des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE) NRW wurden 2022 in NRW aber nur 98 neue Windenergieanlagen in Betrieb genommen. Die Erneuerbare-Energien-Branche dringt auf mehr Tempo. Und auch der Koalition ist klar, dass sie sich weiter strecken muss, um das ambitionierte Ziel zu erreichen.

Auch bei der Einsetzung eines unabhängigen Polizeibeauftragten beim Landtag - ein Herzensthema nur für die Grünen - will die Fraktion Druck machen. Nach dem Fall des von der Polizei erschossenen Jugendlichen in Dortmund sei viel Vertrauen in die Polizei verloren gegangen, sagt Schäffer. "Ich bin davon überzeugt, dass diese Stelle das Vertrauen in die Polizei weiter stärken wird." Schäffer hatte als Expertin für Innenpolitik bereits zu Oppositionszeiten ein gutes Verhältnis zu CDU-Innenminister Herbert Reul gepflegt.

Seit einem halben Jahr führen die beiden gar nicht "alten Hasen" Schäffer und Brems als weibliche Doppelspitze die auf stattliche 39 Abgeordnete gewachsene Grünen-Fraktion. Beide sind schon seit 2010 im Landesparlament - und gehörten damit auch einmal zu den jüngsten Abgeordneten wie derzeit die sechs Fraktionsmitglieder, die unter 30 Jahre alt sind. Überhaupt hat sich die Fraktion verjüngt. Weitere zehn Mitglieder sind unter 40.

Brems und Schäffer haben Rot-Grün, Opposition und derzeit Schwarz-Grün erlebt. Sie sind per Du mit Abgeordneten aus SPD und FDP, stehen mit ihnen auch mal in der Kaffeebar und wechseln "nette Worte". War es vielleicht einfacher, mit der SPD zusammen zu regieren? "Das ist schwer vergleichbar", sagt Brems. Es gebe ja nicht nur "die CDU" oder "die SPD". Inzwischen seien andere Abgeordnete als früher im Landtag.

Allein bei den Grünen sind es 31 Neulinge, nur 8 Abgeordnete gehörten auch schon vor der Wahl dem Landtag an. "Eine Koalition hängt auch immer an den Menschen", sagt Brems. "Wir hatten in der rot-grünen Regierungszeit natürlich auch extreme Konflikte, zum Beispiel beim Thema Kohleausstieg. Wir haben da kaum zueinander gefunden."

Schäffer findet die Konstellation mit der CDU auch deshalb so spannend, "weil wir die Perspektiven unterschiedlicher Milieus mitbringen - gerade in einer so krisenhaften Zeit". Kulturelle Unterschiede zur CDU diskutieren die Fraktionschefinnen nicht weg: "Vielleicht sind wir Grüne für die CDU manchmal auch ein bisschen anstrengend, weil wir immer alles gern dreimal diskutieren wollen", sagt Schäffer. "Das liegt in unserer Natur, so sind wir Grüne."

© dpa-infocom, dpa:230219-99-652616/3

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