Kommunale Investitionen erleichtern, öffentliches Vermögen nachhaltig sichern und aufbauen – „Neues Kommunales Finanzmanagement“ weiterentwickeln

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNE im Landtag

Portrait Robin Korte

I. Ausgangslage

In unseren Kommunen – Städten, Gemeinden und Kreisen – entscheidet sich das Funktionie­ren und die Qualität staatlicher und gesellschaftlicher Daseinsvorsorge. Sie sind die Orte, an denen unsere Kinder zur Schule gehen, unsere Familien und Freunde leben und wo wir arbei­ten. Sie sind es, die entscheidend dazu beitragen, dass wir uns sicher fühlen, dass wir Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung haben, dass unsere Straßen, Rad- und Fußwege so­wie Brücken in gutem Zustand sind, Bus und Bahn verlässlich fahren und dass unsere Parks und öffentlichen Plätze grün, gepflegt und zugänglich sind.

Unsere Kommunen sind auch die Orte, an denen zukünftige Generationen aufwachsen wer­den und deshalb tragen wir eine besondere Verantwortung, sie nachhaltig und zukunftssicher zu gestalten. Das betrifft nicht nur den Schutz des Klimas und unserer natürlichen Umwelt, sondern auch den Aufbau einer leistungsfähigen und zukunftsfähigen Infrastruktur, die in der Lage ist, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen. Energieeffizienz, Elekt­rifizierung, Digitalisierung, Barrierefreiheit, Klimafolgenanpassung und nachhaltiges Bauen sind nur einige der Schlüsselbegriffe, die in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle spie­len und bei denen unsere Kommunen vor großen Investitionsbedarfen stehen. Einzelstudien zu unterschiedlichen Sektoren lassen alleine im Bereich Klimaschutz ein notwendiges Inves­titionsvolumen von bundesweit mindestens 250 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jah­ren erwarten.

Der wichtigste Schlüssel, um die Investitionstätigkeit der Kommunen weiter zu steigern, ist die Verbesserung ihrer finanziellen und personellen Handlungsfähigkeit. Dazu gehört der Einstieg in eine kommunale Altschuldenlösung ab dem Jahr 2025, um den Handlungsspielraum beson­ders schuldenbelasteter Kommunen zu erweitern. Darüber hinaus kann ein modernes kom­munales Haushaltsrecht dazu beitragen, dass unsere Kommunen den Herausforderungen der Zukunft effektiv begegnen können.

Das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) und die Kommunale Haushaltsverordnung (KomHVO NRW) legen die Regeln und Verfahren fest, die Kommunen bei der Verwaltung ihrer Finanzen einhalten müssen. CDU und Grüne haben sich daher im Zukunftsvertrag für Nord­rhein-Westfalen darauf verständigt, das NKF vor dem Hintergrund des Klima- und Ressourcenschutzes zu evaluieren. Die Regeln, nach denen Kommunen ihr Anlagevermögen bewerten und abschreiben müssen, hat entscheidende Auswirkungen auf ihre finanziellen Spielräume und Investitionsmöglichkeiten.

Weiterentwicklung des „Neuen Kommunalen Finanzmanagements“ mit Ausweitung der Aktivierungsmöglichkeiten kann Investitionsförderung sinnvoll ergänzen

Die derzeitige Ausgestaltung des NKF und der KomHVO NRW beschränken in einigen we­sentlichen Punkten die Fähigkeit der Gemeinden, Investitionen in ihr Anlagevermögen flexibel und wirklichkeitsnah zu gestalten. Diese Beschränkungen entstehen zum einen durch rechtli­che Vorgaben, die nicht ausreichend auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen der Gemeinden zugeschnitten sind. Zum anderen erweisen sich die bestehenden Regelungen oft als zu starr und unflexibel, um den dynamischen Entwicklungen und Anforderungen der Gemeinden gerecht zu werden.

Insbesondere die Vorschriften des § 36 Abs. 2 ff. KomHVO NRW bedürfen einer kritischen Überprüfung und gegebenenfalls einer Anpassung. Diese Vorschriften regeln die Bilanzierung von Anlagevermögen und schreiben beispielsweise vor, welche Bestandteile eines Gebäudes oder eines Grundstücks als Anlagevermögen behandelt und somit aktiviert werden können. Dies betrifft entscheidende Bestandteile kommunaler Infrastruktur, wie z. B. Heizungsanlagen, Energiespeicher, Fassadendämmungen, Sanitäranlagen, Erdbohrungen und Erdsonden, Zis­ternen, aber auch Bestandteile von Straßen, Wegen, Plätzen und Grundstücken wie Geh- und Radwege, Bordsteinabsenkungen, Blindenleitstreifen oder Querungshilfen.

Ein zentraler Kritikpunkt an den bestehenden Regelungen besteht darin, dass sie nicht aus­reichend differenzieren und zu starre Kategorien verwenden. So werden beispielsweise aus­getauschte oder hinzugefügte Gebäudekomponenten und Gebäudebestandteile sowie ein­zelne Bestandteile von Straßen, Wegen, Plätzen und Grundstücken derzeit regelmäßig nicht aktiviert. Dies kann dazu führen, dass Investitionen in diese Bereiche für die Gemeinden we­niger attraktiv sind, da sie die Kosten hierfür nicht in vollem Umfang in ihrer Bilanz berücksich­tigen können. Dies kann negative Auswirkungen auf die Qualität der kommunalen Infrastruktur und Dienstleistungen haben.

Ebenfalls bedarf es einer Überarbeitung der Bilanzierung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens im Sinne der zirkulären Wirtschaft (Cradle-to-Cradle). Der NKF-Erlass vom 9. März 2023 hat hier bereits wichtige Weichen gestellt und eine Aktivierung der jeweiligen Restwerte ermöglicht. Jedoch fehlt es noch an einer entsprechenden Überführung dieser wich­tigen Regelung in die KomHVO NRW.

Des Weiteren bestehen derzeit keine haushaltsrechtlichen Grundlagen für die Hinzurechnung und Aktivierung von Aufwendungen im Zuge der Bauleitplanung, wie zum Beispiel für Gutach­ten und Personalkosten. Dies gilt auch für Aufwendungen im Rahmen der kommunalen Wär­meplanung sowie kommunaler Hochwasserschutzkonzepte. Die Ausweitung der Aktivierungsmöglichkeiten im NKF könnte ein wichtiger Impuls sein, um den Kommunen die dringend not­wendigen Investitionen in Zukunftsaufgaben zu erleichtern. Durch mehr Flexibilität könnten vergleichsweise leicht entscheidende Anreize gesetzt werden, damit Kommunen verstärkt in Klimaschutz, Klimafolgenanpassung und Digitalisierung investieren können.

„Smart-Boards“ statt „Flipcharts“, „Wallbox“ statt „Kesselwagen“ – Die NKF-Ab-schreibungstabelle braucht eine Modernisierung

Die Herausforderungen von Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft verdeutlichen außerdem die Notwendigkeit, die Abschreibungstabelle gemäß § 36 Abs. 4 KomHVO insgesamt zu evaluie­ren und an die heutigen Anforderungen und den Stand der Technik anzupassen.

Zunächst bedarf es hierbei einer grundsätzlichen Überprüfung und Aktualisierung der Nut­zungszeiträume für kommunale Anlagegüter sowie einer stärkeren Ausdifferenzierung der ver­schiedenen Kategorien und der Ausgestaltung der Nutzungsräume. Denn aktuell werden viele Elemente kommunaler Infrastruktur, die für die zukunftsfähige Ausrichtung der Gemeinden unerlässlich sind, z. B. Anlagen zur Erzeugung und Speicherung erneuerbarer Energie oder für die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, nicht ausreichend oder gar nicht berücksichtigt. Dies beschränkt die Handlungsfähigkeit der Kommunen und beeinträchtigt ihre Fähigkeit, ef­fektive und zukunftsorientierte Infrastrukturinvestitionen zu tätigen.

Die maximalen Nutzungszeiträume für entsprechend langlebig errichtete Gebäude und Ge­bäudeteile sollten in einem angemessenen Umfang verlängert werden und die bisherige Un­terscheidung zwischen Bauweisen auf Basis nachwachsender Rohstoffe (z.B. Holz) und mi­neralischer Baumaterialien (z.B. Beton, Stahl oder Stein) überprüft werden. Die Anpassung der Abschreibungszeiten von Bauweisen auf Basis nachwachsender Rohstoffe im NKF kann die langfristige Investition in nachhaltige und energieeffiziente Gebäude fördern und eine am Stand der Technik gemessene Bewertung dieser Vermögenswerte ermöglichen.

Zur Stärkung der Barrierefreiheit in der kommunalen Infrastrukturplanung und -finanzierung ist es wichtig, die definierten Vermögenskategorien der Gruppe Grundstückseinrichtungen um Infrastrukturelemente zur Verbesserung der Barrierefreiheit zu erweitern. Eine solche Erwei­terung der Vermögenskategorien kann die Kommunen ermutigen und befähigen, in barriere­freie Infrastrukturen zu investieren.

Schließlich ist es für eine zukunftsfähige und nachhaltige kommunale Infrastruktur entschei­dend, weitere technische Anlagen, z.B. zur Wasserstoffgewinnung, -lagerung und -versorgung (z.B. Elektrolyseur, Wasserstoffspeicher), zur Digitalisierung des öffentlichen Raums (z.B. 5­G-Infrastruktur zur Verkehrslenkung, City-W-Lan, etc.) sowie Anlagegüter aus dem Bereich der E-Mobilität (z.B. Ladesäulen) separat in die Tabelle aufzunehmen.

Die vorgeschlagenen Anpassungen und Ergänzungen der Abschreibungstabelle können den Kommunen in Nordrhein-Westfalen mehr Flexibilität und Handlungsspielraum in ihrer Infrastrukturplanung und -finanzierung bieten. Sie würden sie dazu befähigen, ihre Infrastrukturen und Dienstleistungen in Übereinstimmung mit den aktuellen und zukünftigen Anforderungen und Herausforderungen zu gestalten und dabei die Bedürfnisse und Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger sowie die Nachhaltigkeitsziele in den Vordergrund zu stellen.

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Unsere Städte, Gemeinden und Kreise sind die maßgeblichen Träger unserer staatli­chen Daseinsvorsorge.
  • Um diese Leistungen zur Verfügung stellen zu können, tragen unsere Kommunen einen Großteil der öffentlichen Bauinvestitionen und schultern einen Löwenanteil der investi­ven Zukunftsvorsorge.
  • Der zentrale Schlüssel zur Steigerung der kommunalen Investitionstätigkeit in Nord­rhein-Westfalen bleibt die nachhaltige Stärkung der kommunalen Haushaltslage.
  • Neben der Verbesserung der kommunalen Finanzkraft und einer kraftvollen, zielgerich­teten und unbürokratischen Investitionsförderung durch Land, Bund und EU kann auch eine Weiterentwicklung des kommunalen Haushaltsrechts wichtige Impulse für kommu­nale Investitionen geben.
  • Durch mehr Flexibilität in der Aktivierung von Investitionen sowie eine neue Ausgestaltung der Abschreibungstabelle anhand heutiger und zukünftiger Infrastrukturanforderungen wie Digitalisierung, Klimaschutz, Klimaresilienz, Barrierefrei­heit oder Ressourceneffizienz können kommunale Investitionen insbesondere in diesen wichtigen gesellschaftspolitischen Zukunftsaufgaben erleichtert und so gefördert wer­den.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) und die Kommunale Haushaltsverord­nung (KomHVO NRW) zu überarbeiten und wirklichkeitsnah zu flexibilisieren, um kom­munale Investitionen in das Anlagevermögen zu erleichtern und dabei:
  • die Vorgaben von § 36 Abs. 2 ff. KomHVO NRW grundsätzlich zu überprüfen mit dem Ziel, dass auch ausgetauschte oder hinzugefügte Gebäudekomponenten und Gebäudebestandteile (z.B. Heizungsanlagen, Energiespeicher, Fassadendäm­mung, Sanitäranlagen, Erdbohrungen und Erdsonden, Zisternen, etc.) bzw. ein­zelne Bestandteile von Straßen, Wegen, Plätzen und Grundstücken (z.B. Geh- und Radwege, Bordsteinabsenkungen, Blindenleitstreifen, Querungshilfen, etc.) zu­künftig aktiviert bzw. hinzugerechnet werden können,
  • den NKF-Erlass vom 9. März 2023 zur Bilanzierung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens unter Berücksichtigung der zirkulären Wertschöpfung/cradle-to-cradle in die KomHVO NRW zu überführen und hierbei eine Aktivie­rung der jeweiligen Restwerte zu ermöglichen,
  • die Einführung einer haushaltsrechtlichen Grundlage zur Hinzurechnung und Akti­vierung von Aufwendungen im Zuge der Bauleitplanung, kommunalen Wärmepla­nung, sowie kommunaler Hochwasserschutzkonzepte und anderer vergleichbarer Planungen und Aufwendungen, wie z. B. für Gutachten und Personalkosten, zu prüfen,
  • die Möglichkeit zu einer freiwilligen Neuinventur des kommunalen Vermögens zu schaffen und zu prüfen, inwieweit zur Veräußerung bestimmte Liegenschaften hierbei einheitlich und möglichst wertnah in das kommunale Umlaufvermögen überführt werden können,
  • Die Abschreibungstabelle für das kommunale Anlagevermögen gemäß § 36 Abs. 4 KomHVO insgesamt zu evaluieren und an heutige Infrastrukturanforderungen, wie Energieeffizienz, Klimaneutralität, Elektrifizierung, Digitalisierung, Barrierefreiheit sowie nachhaltiges und zirkuläres Bauen anzupassen und dazu
  • die Ausdifferenzierung der Kategorien für kommunale Anlagegüter und die Ausge­staltung der Nutzungszeiträume generell zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren,
  • die maximalen Nutzungszeiträume für entsprechend langlebig errichtete Gebäude und Gebäudeteile auf bis zu 100 Jahre zu verlängern und hierbei insbesondere die Abschreibungszeiten für Bauweisen auf Basis nachwachsender Rohstoffe (z. B. Holz) auf Grundlage des Stands der Technik zu verlängern,
  • die definierten Vermögenskategorien der Gruppe Grundstückseinrichtungen um Infrastrukturelemente zur Verbesserung der Barrierefreiheit zu erweitern,
  • weitere technische Anlagen zur Wasserstoffgewinnung, -lagerung und -versorgung (z. B. Elektrolyseur, Wasserstoffspeicher), zur Digitalisierung des öffentli­chen Raums (z. B. 5-G-Infrastruktur zur Verkehrslenkung, City-W-Lan, etc.) sowie Anlagegüter aus dem Bereich der E-Mobilität (z. B. Ladesäulen) separat in die Ta­belle aufzunehmen.