Kreislaufwirtschaft im Baugewerbe endlich konsequent umsetzen!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I. Ausgangslage

Die konsequente Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist dringend notwendig, um die knappen Ressourcen auf der Erde zu schonen, um Abfälle zu vermeiden und um damit auch unsere Umwelt und unser Klima zu schützen. Auch in Nordrhein-Westfalen gilt der Vorrang der Ab­fallvermeidung und, wenn eine Vermeidung nicht möglich ist, der Wiederverwendung und des Recyclings von Abfällen. So ist es auf Bundes- und Landesebene in den jeweiligen Kreislauf­wirtschaftsgesetzen geregelt. In der praktischen Umsetzung der Kreislaufwirtschaft besteht jedoch deutlicher Verbesserungsbedarf, es braucht dafür deutlich ambitioniertere Vorgaben des Gesetzgebers.

Produkte wie Elektrogeräte oder Kunststofferzeugnisse stehen häufig im Zentrum der Debatte. Doch auch im Straßen- sowie im Hoch- und Tiefbaugewerbe ist eine konsequente Umsetzung der Kreislaufwirtschaft von großer Wichtigkeit. Der Bausektor insgesamt gehört zu den res-sourcenintensivsten Branchen. Der Monitoring-Bericht der Kreislaufwirtschaft Bau gibt an, dass im Jahr 2018 insgesamt 218,8 Mio. Tonnen mineralische Bauabfälle angefallen sind. Hiervon entfallen 130,3 Millionen Tonnen auf den Bereich Boden und Steine. Nur etwa zehn Prozent davon wurden höherwertig recycelt. Straßenaufbruch als Abfall ist dabei noch nicht eingerechnet, sondern beträgt noch einmal 14,1 Millionen Tonnen. Hiervon wurden im Jahr 2018 bundesweit bereits rund 93 Prozent recycelt (Vgl. https://kreislaufwirtschaft-bau.de/Arge/Bericht-12.pdf). Allerdings werden die recycelten Baustoffe noch viel zu oft lediglich im Unterbau oder als Füllmaterial eingesetzt, es kann also eher vom sogenannten Downcycling als von tatsächlichem Recycling gesprochen werden. Für den Bau der eigentlichen Fahrbahn hingegen werden weiterhin viel zu viele knappe Rohstoffe ver­braucht. Daher müssen auch im Straßenbau die Anstrengen noch deutlich verstärkt werden.

Besonders in Nordrhein-Westfalen gibt es noch Optimierungspotenzial. So bestehen in Nord­rhein-Westfalen beispielsweise neu ausgebrachte Straßenbeläge – je nach Asphaltschicht – nur zu etwa 20 Masseprozent oder 40 Masseprozent aus recyceltem Asphaltgranulat. Aus den Quoten in anderen Bundesländern wird deutlich, dass für beide Werte schon heute eine Ver­doppelung möglich wäre (Vgl. https://rp.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/RP-Internet/Themenportal/Verkehr/Stras-sen/_DocumentLibraries/LisReLST/Az_2-3945-24-8.pdf). Um eine Steigerung des Recyclinganteils zu erreichen, bräuchte es in Nordrhein-Westfalen neben moderneren Asphaltmischanlagen auch größere Anreize sei­tens der Landesregierung, Recycling-Material zu verwenden.

Größerer Handlungsbedarf als im Straßenbau besteht jedoch im Tief- und Hochbau. Viele Deponien der Klassen DK 0 und DK I, also Deponien für gering oder mäßig mit Schadstoffen belasteten Erdaushub und Bauschutt, in Nordrhein-Westfalen sind bereits voll. Häufig gelangt Erdaushub und Bauschutt auf Deponien, obwohl das Material eigentlich aufbereitet und einer weiteren Verwendung zugeführt werden könnte. Die Einbindung in den Kreislauf von mehr Materialien, die im Tiefbau anfallen, könnte hier Abhilfe schaffen. Bislang werden beispiels­weise die Möglichkeiten der Verwendung von Recycling-Materialien in öffentlichen Bauprojek­ten nicht ausreichend genutzt. Dabei sollte das Land mit gutem Beispiel vorangehen. Auch für private Bauherren sollten Anreize gesetzt werden, vermehrt solche Materialien einzusetzen. Leider wurde in der Novellierung des Landesabfallgesetzes die Chance verpasst, dafür recht­liche Voraussetzungen zu schaffen.

Zudem wären auch verbesserte Deponieplanungen und Entsorgungskonzepte an dieser Stelle wichtig. Beispielsweise könnte eine stärkere Einbindung privater Deponiebetreiber in die Pla­nungen, in Orten, in denen es bereits zu Engpässen kommt, für Entspannung sorgen.

Mit der Einführung der neuen Mantelverordnung werden – auch seitens der Landesregierun­gen – Hoffnungen verbunden, den Anteil von Recycling-Material im Baugewerbe zu erhöhen beziehungsweise ihre Verwendung zu vereinfachen. Allerdings verstreichen zum einem bis zu ihrem In-Kraft-Treten am 1. August 2023 noch wertvolle Monate und zum anderen werden viele der Hindernisse für den großflächigen Einsatz von Recycling-Material von ihr nicht beho­ben. Dazu zählt beispielsweise die Verwendung des Begriffs „Abfall“ für viele Recycling-Pro­dukte, was ihre Verwendung unattraktiv macht. Güteüberwachte Recycling-Produkte sollten auch den Produktstatus erhalten und nicht als Abfälle vermarktet werden müssen. Ein weite­res, nicht behobenes Hindernis ist die Tatsache, dass viele Genehmigungsbehörden die Ver­wendung von Recycling-Material nicht fördern oder teils sogar untersagen. Dabei besteht je­doch bereits heute ein großer Ermessensspielraum, was die Verwendung von Recycling-Ma­terial betrifft. Doch dieser Spielraum wird nur äußerst selten genutzt. Daher ist jetzt ein Han­deln seitens der Landesregierung erforderlich. Das Warten auf das Inkrafttreten der Mantel­verordnung darf nicht als Begründung für das Nichtstun und „Weiter so“ verwendet werden. Leider wurde im Zuge der Änderungen des Landesabfallgesetzes auch die Chance verpasst, die vergabebezogenen Vorschrift des § 2 anzupassen. Damit bleiben die Pflichten der öffent­lichen Hand mit Blick auf die grüne öffentliche Beschaffung weitgehend vage und unverbind­lich, die fehlenden Rechtsansprüche Dritter reduzieren zudem die Effektivität des Gesetzes.

Die Problematik nicht genutzter Ermessensspielräume oder Ausnahmeregelungen, die vom Gesetzgeber im Sinne der Ressourcenschonung vorgesehen sind, tritt auch an anderer Stelle auf. Wenn Boden an Orten ausgehoben wird, die geogen, also natürlicherweise, mit als Schad­stoffen qualifizierten Stoffen belastet sind, muss der natürlicherweise dort vorkommende Aus­hub oftmals auf die, ohnehin bereits vollen, Deponien abtransportiert und durch neues Füllma­terial ersetzt werden. Dies ist weder kosten- noch ressourcenschonend. Zwar bestehen in der Bodenschutzverordnung Ausnahmeregeln, die ein Wiedereinfüllen mit dem Ausgangsmaterial ermöglichen würden, von den Kommunen werden diese jedoch kaum angewendet. Hier muss die Landesregierung auf eine vereinfachte Anwendung der bestehenden Regeln hinwirken.

Deutlich wird somit, dass in den verschiedenen Bereichen der Baubranche seitens der Lan­desregierung Maßnahmen ergriffen werden müssten, welche sowohl bei Genehmigungsver­fahren als auch bei Ausschreibungen die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft attraktiver machen. Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft muss als gemeinsame Anstrengung auf allen Ebenen erfolgen. Die Landesregierung muss dabei als gutes Beispiel vorangehen. Sie hat aber auch Sorge dafür zu tragen, dass die ihr nachgeordneten Behörden und Kommunen, aber auch die Privatwirtschaft, die bestmöglichen Voraussetzungen dafür haben, ihrerseits konsequent die Kreislaufwirtschaft zu verfolgen.

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Viele Rohstoffe sind nur begrenzt verfügbar und werden zunehmend knapper. Die Um­setzung einer möglichst umfassenden, nachhaltigen und geschlossenen Kreislaufwirt­schaft ist daher von elementarer Bedeutung. Dies gilt auch für das Tief- und Straßenbau­gewerbe in Nordrhein-Westfalen.
  2. Im Tief- und Straßenbaugewerbe in Nordrhein-Westfalen sind weitere Anstrengungen nö­tig, um in dieser Branche zu einer Kreislaufwirtschaft zu gelangen.
  3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat eine Vorbildfunktion und sollte die Wandlung hin zu einer Kreislaufwirtschaft als prioritäre Aufgabe betrachten.

III. Der Landtag beschließt:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. in jeglichen öffentlichen Ausschreibungen, die im Bereich des Tief- oder Straßenbaus lie­gen, Recycling-Material nicht nur als Wahlposten aufzunehmen, sondern dieses auch in der Angebotswertung als gleichwertig zu betrachten. Die Landesregierung soll sicherstel­len, dass dies auch auf den Ebenen der Bezirksregierungen und der Kommunen entspre­chend erfolgt.
  2. verbindliche Quoten für den Anteil von recycelten Baustoffen bei jeglichen Bauprojekten von landeseigenen Behörden und Einrichtungen vorzugeben, bei denen dies bereits heute technisch möglich ist. Dies beinhaltet auch eine Steigerung der Zugabemengen von As­phaltgranulat im Straßenbau im Sinne des Maximalrecyclings nach baden-württembergi­schen Vorbild. Durch die Ausschreibung muss deutlich werden, dass auch Mengen von Recycling-Material, die über die Mindestquote hinausgehen, erwünscht sind.
  3. einen Haftungsfonds einzuführen, der beim Einsatz von Recyclingbaustoffen für den Ver­wender im Sinne einer „Produktsicherheit“ die erforderliche Rechtssicherheit herstellt.
  4. bei Vergaben durch landeseigene Behörden und Einrichtungen im Baubereich in allen Vergabephasen Nachhaltigkeitsanforderungen zu stellen.
  5. zu prüfen, inwieweit in Nordrhein-Westfalen die Ansiedlung einer thermischen Wiederauf­bereitungsanlage für teerhaltigen Straßenaufbruch unter ökologischen und wirtschaftli­chen Gesichtspunkten sinnvoll ist, ob es in Nordrhein-Westfalen geeignete Standorte für eine solche Anlage gibt und wie die Ansiedlung einer solchen Anlage in Nordrhein-West­falen befördert werden kann.
  6. bei der Erstellung von Entsorgungskonzepten und Deponieplanungen durch die Kommu­nen eine koordinierende Funktion einzunehmen.
  7. zu prüfen, inwieweit im Sinne gleicher Wettbewerbsbedingungen die privaten Betreiber von Deponien zur Annahme von Material aus angrenzenden Städten und Kreisen ver­pflichtet werden können.
  8. den Kommunen mithilfe eines Erlasses auf einfache Weise zu ermöglichen, bei Baumaß­nahmen die vorab anfallenden geogen belasteten Böden, sofern kein Verdacht auf zu­sätzliche Belastungen vorliegt, wieder einbauen zu können.
  9. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen,
  10. dass durch die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) einheitliche und un­bürokratische Regeln für den Umgang mit geogen belastetem Bodenaushub erar­beitet werden, welche die Wiedereinbringung des Materials mit Schadstoffgehalten unterhalb der Gefahrenschwelle deutlich vereinfachen.
  11. dass in den weiteren Überarbeitungen der Mantelverordnung der Abfallstatus, ent­sprechend der Forderung des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, für gü­teüberwacht und zertifiziert hergestellten „Abfälle“ durch den Produktstatus ersetzt wird.